Die Schere bei der Verteilung von Einkommen und Vermögen in unserem Land geht weiter auseinander. Aktuell ist festzustellen: Deutschland ist so ungleich wie vor 100 Jahren, auf die obersten zehn Prozent entfallen 40 Prozent der Einkommen, so wie schon 1913. Die Loh- nentwicklung hinkt der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung immer weiter hinterher, der Gegensatz zwischen Kapital und Arbeit vergrößert sich immer mehr. Das Versprechen der sozialen Marktwirtschaft, dass alle gleichermaßen am wirtschaftlichen Fortschritt beteiligt werden, erodiert.
Gleichzeitig verändert sich der Faktor Arbeit enorm: Neue Arbeitszeitmodelle, mobiles Arbeiten, die Interaktion von Mensch und Maschine – Globalisierung und Digitalisie- rung führen zu einem sich rasant verändernden Arbeitsalltag. Gleichzeitig entstehen durch einen schrumpfenden industriellen Sektor und einen wachsenden Dienstleis- tungssektor erhebliche Unterschiede bei der Lohnentwicklung und der Gestaltung der Arbeitsbedingungen, Herkunft und Ausbildung entscheiden immer stärker über Le- benschancen. Und für die klassische Form der betrieblichen Mitbestimmung ergeben sich bei alledem ganz neue Herausforderungen.
Und auch die gemeinschaftlich organisierten sozialen Sicherungssysteme geraten un- ter Druck: Die Absicherung für Rente, Gesundheit und Pflege hängt nach wie vor maß- geblich am Faktor Arbeit – wenn dieser wiederum aber unter Druck gerät, leiden die Sicherungssysteme insgesamt. Die Folge: Das gemeinschaftlich garantierte Sicherungsni- veau ist gesunken, absichern kann sich nur, wer privat versorgt. Die Privatisierung von Lebenslagen und Lebensrisiken wiederum führt ebenfalls zu steigender Ungleichheit.
Die SPD hat in den vergangenen 20 Jahren viel getan, um diese Entwicklung gerechter zu gestalten: Mindestlohn, Sicherungsmaßnahmen bei der Renten-, Kranken- und Pfle- geversicherung, Regulierung des Arbeitsmarktes und vieles mehr waren konkrete und erfolgreiche Maßnahmen. Allerdings ist die Erwartung an die Sozialdemokratie stets, dass sie das Aufstiegs- und Teilhabeversprechen der sozialen Marktwirtschaft erfüllt, indem sie politisch hierfür Gewährleistung erbringt – auch und gerade im Zeitalter von Digitalisierung, Globalisierung und Klimawandel. Folgende Bausteine sollte die SPD hierfür diskutieren
- Für die Entwicklung einer konkreten Vorstellung für Wirtschaftsdemokratie im Zeitalter von Globalisierung, Digitalisierung und Klimawandel.
- Für eine Sicherung einer auskömmlichen Versorgung im Alter für Arbeitnehme- rinnen und Arbeitnehmer allein durch die gesetzlicheRentenversicherung.
- Für eine Abschaffung des Zwei-Klassen-Systems im Gesundheitswesen.
- Für eine Absicherung von Lebensrisiken und die Gewährleistung von guter Arbeit in der Pflege durch eine Neuordnung der gesetzlichen Pflegeversicherung.
- Für eine Umkehr der Auseinanderentwicklung bei Einkommen und Vermögen durch eine neue Steuerpolitik
- Für eine Gewährleistung des Prinzips guter Arbeit in einer globalisierten und digitalisierten Weltwirtschaft durch eine neue Neuordnung des Arbeitsmarktes:
- Anhebung des Mindestlohns auf ein Niveau, das regulär einen Rentenbezug aus eigenen Beiträgen oberhalb der Grundsicherung ermöglicht, und Einführung eines Europäischen Mindestlohns.
- Ausweitung der Flächentarifbindung und Zuschläge für Gewerkschaftsmitglieder.
- Ausweitung der Rechte und Zuständigkeiten der Europäischen Betriebsräte.
- Eindämmung von Leih- und Zeitarbeit sowie Werkverträgen zur Vermeidung von irregulärer Beschäftigung.
- Regeln für neuartige Beschäftigungsverhältnisse (Crowdworking, Null-Stunden-Verträge bzw. Arbeit auf Abruf, Tele- und mobile Arbeit uvm.).
- Regeln für die bessere Vereinbarkeit von Arbeit und Leben.
- Stärkung des Rechts auf Weiterbildung, u.a. durch Novellierung des Bildungsurlaubsanspruchs.