A-04 Erwerbsarbeit von Frauen mit Careaufgaben

Status:
Annahme

Unsere Gesellschaft hat drei schwierige Jahre hinter sich und steht auch weiterhin vor großen Herausforderungen. Fordernde Zeiten und Umbrüche bieten jedoch auch die Chance, als Gesellschaft bestehende Defizite zu analysieren und Verbesserungen anzustoßen.  

In diesem Sinne haben uns sowohl die Coronapandemie als auch der weithin vorherrschende Fachkräftemangel gezeigt, dass sich in unserer Gesellschaft etwas verändern muss, was unseren Blick auf Erwerbsarbeit von Frauen, insbesondere von Müttern und Frauen, die Angehörige pflegen, angeht. Die Erwerbstätigkeit dieser Gruppe hatte während der Pandemie auf dem Arbeitsmarkt und gesellschaftlich nicht den gleichen Stellenwert wie männliche Erwerbsarbeit. Obwohl sich unsere Gesellschaft in weiten Teilen für gleichberechtigt hält, hat sich hier die weiterhin starke Wirkmächtigkeit alter Rollenmuster gezeigt. 

Dies äußerte sich darin, dass mit dem Wegfall von Betreuungsangeboten durch Präventionsmaßnahmen und Krankheitsfälle in erster Linie (wenn auch natürlich nicht ausschließlich) in erheblichem Umfang Frauen eingesprungen sind, um die zusätzlich anfallenden Care-Aufgaben zu übernehmen. Hierfür wurde wahlweise der Umfang der Erwerbstätigkeit reduziert oder aber die Sorgearbeit neben der Arbeit im Homeoffice parallel übernommen. Dabei hat zugleich die persönlich wahrgenommene Belastung insbesondere bei berufstätigen Müttern deutlich zugenommen. Frauen haben die Umstellung zu mehr Arbeit im Homeoffice Erhebungen nach durchschnittlich deutlich negativer empfunden als dies bei Männern der Fall war. Die Folge war nicht selten eine erhebliche Zunahme des empfundenen Stress-Levels bis hin zu stressbedingten psychischen Erkrankungen.  

Für uns steht fest, dass es maßgebliche Veränderungen braucht, um sowohl unserem Ideal einer partnerschaftlichen Aufteilung von Sorgearbeit gerecht werden zu können als auch mehr Frauen eine unterhaltssichernde Erwerbstätigkeit trotz Sorgearbeit zu ermöglichen.  

Mehr Zeitsouveränität – unser Verhältnis zur Erwerbsarbeit 

Eines der größten Probleme für Menschen, die Care-Aufgaben übernehmen, ist die ständige Zeitknappheit. Es fehlt Zeit für gute Sorgearbeit, soziale Beziehungen oder ehrenamtliches Engagement. Das ist nicht nur ein persönliches Problem Einzelner, sondern ein gesamtgesellschaftliches Problem. Denn Sorgearbeit ist keine rein private Arbeit, sondern eine essentielle Voraussetzung für eine funktionierende Gesellschaft. Gleiches gilt für ehrenamtliches und politisches Engagement, welche ebenfalls einen erheblichen Zeitaufwand bedeuten können.  

Um diese Bedürfnisse besser vereinbaren zu können, braucht es vor allem mehr Zeitsouveränität. Menschen definieren sich nicht allein über ihre Erwerbsarbeit. Auch soziale Beziehungen, Engagement und Sorgearbeit stellen wichtige Bestandteile eines individuellen Lebensentwurfs dar. Eine 40-Stunden Woche lässt jedoch keinen Raum, um maßgebliche Anteile von Sorgearbeit zu übernehmen und zugleich noch soziale Beziehungen oder politisches Engagement zu pflegen. Der zeitliche Anspruch von Vollzeitjobs in einer verdichteten Arbeitswelt führt daher insbesondere für Menschen, die Sorgearbeit übernehmen, zu einer ständigen Rollenüberforderung. Viele Familien lösen diese, indem insbesondere Frauen eine Doppel- oder Dreifachbelastung schultern und zugleich häufig mit reduzierten Stunden arbeiten, um allem gerecht zu werden. Dies führt jedoch allzu oft zugleich zu schlechteren beruflichen Aufstiegschancen und einem erheblich höheren Risiko von Altersarmut durch geringere Rentenansprüche.  

Eine wichtige Antwort auf dieses Problem ist eine deutliche Reduktion der Wochenarbeitszeit – bei gleichbleibendem Lohn. Nur so ermöglichen wir es Menschen, trotz Sorgearbeit in Vollzeit zu arbeiten, volle Sozialversicherungsansprüche zu erwerben und ökonomische Unabhängigkeit zu erlangen. Zudem begünstigt eine reduzierte Wochenarbeitszeit eine gesellschaftliche Entwicklung dahingehend, sich von der überhöhten Stellung von Erwerbsarbeit zu lösen und mehr Freiheit für anderes Engagement und soziale Bindungen zu ermöglichen. Die so geschaffene Zeitsouveränität bedeutet, dass Arbeitnehmer*innen mehr Kontrolle über ihre Arbeitszeit haben und diese besser an ihre individuellen Bedürfnisse anpassen können. Sie kommt daher allen Arbeitnehmer*innen zu Gute, die bereits familiäre Verantwortung tragen oder aber mehr Care-Aufgaben übernehmen möchten. Gleichzeitig schafft mehr Zeitsouveränität eine bessere Work-Life-Balance und somit eine höhere Lebensqualität und geringere Belastung für alle Beteiligten. 

Abgrenzung trotz Flexibilisierung der Arbeit 

Die Digitalisierung der Arbeitswelt hat insbesondere für berufstätige Eltern zu einer Vielzahl neuer Möglichkeiten zur Erlangung von mehr Zeitsouveränität geführt. Homeoffice bietet häufig eine leichtere Einstiegsmöglichkeit zurück in den Beruf nach Krankheit oder Elternzeit. Zugleich haben uns die Entwicklungen während der Coronapandemie aber auch eindrücklich vor Augen geführt: Die Einführung des Homeoffice heißt keineswegs, dass Care-Arbeit weniger wird oder sich wie von selbst nebenbei erledigt. Deshalb wollen wir die Chancen nutzen, die die Digitalisierung für eine bessere Vereinbarkeit bietet. Dies darf aber nicht mit dem Anspruch ständiger Erreichbarkeit einhergehen oder die Abgrenzung zwischen Privatleben und Erwerbsarbeit aufheben.  

Gleichzeitig ist uns wichtig, dass die Selbstverständlichkeit erhalten bleibt, mit der in den Lockdowns das Homeoffice als gleichwertige Tätigkeit zur Arbeit in Präsenz behandelt wurde. Nur wenn alle Arbeitnehmer*innen über alle Hierarchieebenen der Unternehmen hinweg die Möglichkeiten der Digitalisierung nutzen, kann sie zu einem echten Ermöglicher für mehr individuelle Zeitsouveränität in vielen Branchen werden. 

Betreuung neu denken 

Ein großes Hemmnis auf dem Weg zu einer gleichberechtigten Teilhabe von Eltern am Erwerbsleben stellen Defizite in der verfügbaren Kinderbetreuung dar. Fehlende Betreuungsplätze, geringe Betreuungszeiten oder starre zeitliche Vorgaben stellen eine erhebliche Einschränkung beim Wiedereinstieg ins Erwerbsleben nach einer Elternzeit dar. Dies geht regelmäßig zu Lasten der Mütter, welche häufig die Rückkehr ins Berufsleben verschieben oder Stunden reduzieren, um sich mit den Möglichkeiten der Kinderbetreuung zu arrangieren. Noch stärker betroffen von fehlenden Betreuungsmöglichkeiten sind Alleinerziehende, für welche sich eine unterhaltssichernde Erwerbsarbeit mit kleinen Kindern teils als unlösbare Aufgabe darstellen kann.  

Deshalb müssen wir KiTa-Betreuung neu denken. Diese muss sich deutlich stärker als bisher am tatsächlichen Bedarf orientieren. Dazu gehört auch, bei entsprechender Nachfrage Betreuungsplätze nach 16 Uhr oder ganztägig und bis zu 7 Tage die Woche für Schichtarbeiter*innen zu ermöglichen. Hierzu müssen Hürden abgebaut und die Zusammenarbeit mit Arbeitgeber*innen verstärkt werden.  

Gleichzeitig leben wir in einer mobileren Gesellschaft, in welcher häufig keine familiären Unterstützungsnetzwerke mehr vor Ort bestehen. Dies stellt erwerbstätige Eltern vor große Herausforderungen, was Schließzeiten der Betreuungseinrichtungen ebenso wie Krankheitstage der Kinder angeht. Kann ein Kind nicht in der KiTa betreut werden wegen Erkältung oder Fortbildungstagen der Erzieher*innen, bleibt für berufstätige Eltern nur die Wahl zwischen Kinderkrankentagen oder Urlaub. Das ist aber nicht für alle Eltern und in allen Berufen jederzeit möglich. Es braucht daher ein breiteres Unterstützungsnetzwerk, welches Eltern auch in solchen Situationen auffängt, wenn keine Großeltern oder andere Angehörige bereitstehen. Konzepte wie beispielweise Dorfgroßeltern bieten Anhaltspunkte dafür, wie eine solche Unterstützung gelingen kann, die Eltern auch jenseits der Möglichkeiten einer KiTa nicht alleine lässt.  

Partnerschaftliche Care-Arbeit unterstützen 

Unser Ziel muss es sein, überholte Rollenbilder aufzubrechen und jedem Menschen eine echte Wahlfreiheit bei der Familiengründung ebenso wie der Einteilung von Sorgearbeit zu ermöglichen.  

Ein wichtiger Beitrag hierzu ist es, längst überkommene Instrumente wie das Ehegattensplitting und die Minijobs endgültig abzuschaffen. Diese zementieren in finanzieller Hinsicht tradierte Rollenbilder und verhindern in vielen Fällen eine gleichberechtigte Aufteilung von Sorgearbeit. Längst nicht jede Familie kann es sich leisten, sich für eine partnerschaftliche Aufgabenstellung zu entscheiden, wenn diese zugleich finanzielle Einbußen aufgrund einer höheren Steuerlast bedeutet. Deshalb muss handlungsleitend sein, dass wir das bestehende System des Ehegattensplittings, das Ehen subventioniert, zu einem System weiterentwickeln, das Familien subventioniert. Auf diesem Wege können wir Familien auch finanziell besser unterstützen. 

Der Grundstein für die Aufteilung der Care-Arbeit bezogen auf ein Kind wird in einer Partnerschaft während der Elternzeit gelegt. Dabei ist es von zentraler Bedeutung, dass beide Elternteile jeweils mehr als drei Monate unabhängig voneinander Elternzeit in Anspruch nehmen. Dies steigert nachweislich erheblich die Bereitschaft, auch nach der Elternzeit eine gleichmäßigere Aufteilung der Care-Arbeit anzustreben und eigenständig Verantwortung für alltägliche Care-Aufgaben zu übernehmen. Auch wenn die aktuelle Gesetzesfassung eine solche Aufteilung in der Theorie bereits zulässt, ist sie in der Realität bei Weitem nicht der Regelfall. Sinnvoll wäre es daher, die Gesamtlaufzeit der Elternzeit für jene Eltern, die eine gleichmäßiger aufgeteilte Elternzeit nehmen, über die heutigen 14 Monate hinaus zu verlängern, um hier einen Anreiz zu schaffen. Gleichzeitig ist wichtig, dass der Satz des Elterngeldes für niedrigere Einkommensklassen spürbar erhöht wird, um auch Familien mit nur einem Haupteinkommen eine solche Aufteilung ökonomisch zu ermöglichen. 

Gesellschaftlich und politisch muss klar gemacht werden, dass es keine männliche Sphäre der Berufswelt und keine weibliche Sphäre der heimischen Care-Arbeit gibt.  

Aufwertung von Care-Arbeit  

Für eine veränderte gesellschaftliche Wahrnehmung der Bedeutung von Care-Arbeit müssen wir auch professionelle Care-Arbeit aufwerten. Care-Berufe werden weiterhin zum überwiegenden Teil von Frauen übernommen, verbunden mit einem geringen gesellschaftlichen Ansehen und geringer Anziehungskraft des Berufsbildes. Um dem entgegen zu wirken, muss der Beruf der Erzieher*innen massiv aufgewertet und attraktiver gestaltet werden. Gemeinsam mit den Gewerkschaften müssen wir für eine bessere Bezahlung ebenso wie bessere Arbeitsbedingungen im Bereich der Care-Arbeit sorgen. Nur so können wir diese zu einem attraktiven Berufsbild machen und mittelfristig genügend qualitativ hochwertige Betreuungsplätze schaffen. 

Empfehlung der Antragskommission:
Annahme in der Fassung der AK
Version der Antragskommission:

Nach Neuformulierung in kürzerer, mit Maßnahmen und Forderungen versehener Form, wird dieser Antrag zur Annahme empfohlen:

 

Es braucht die nachstehenden maßgeblichen Veränderungen, um sowohl unserem Ideal einer partnerschaftlichen Aufteilung von Sorgearbeit gerecht werden zu können als auch mehr Frauen eine unterhaltssichernde Erwerbstätigkeit trotz Sorgearbeit zu ermöglichen.

Wir fordern darüber hinaus eine deutliche Reduktion der Wochenarbeitszeit – bei gleichbleibendem Lohn.

Wir wollen die Chancen nutzen, die die Digitalisierung für eine bessere Vereinbarkeit bietet.

Wir müssen KiTa-Betreuung neu denken – die sich deutlich stärker als bisher am tatsächlichen Bedarf orientieren sollte.

Es braucht daher ein breiteres Unterstützungsnetzwerk, welches Eltern auch in solchen Situationen auffängt, wenn keine Großeltern oder andere Angehörige bereitstehen.

Unser Ziel muss es sein, überholte Rollenbilder aufzubrechen und jedem Menschen eine echte Wahlfreiheit bei der Familiengründung ebenso wie der Einteilung von Sorgearbeit zu ermöglichen.

Wir fordern, dass es eine echte Wahlfreiheit bei Familiengründung und Aufteilung der Sorgearbeit durch Neuausrichtung des Elterngeldes und Abschaffung von steuerlichen Hürden gibt.

Wir fordern, dass professionelle Care-Arbeit muss zu einem attraktiven Berufsbild werden.

 

Adressat:

SPD-Bundestagsfraktion

Beschluss: Annahme
Text des Beschlusses:

Unsere Gesellschaft hat drei schwierige Jahre hinter sich und steht auch weiterhin vor großen Herausforderungen. Fordernde Zeiten und Umbrüche bieten jedoch auch die Chance, als Gesellschaft bestehende Defizite zu analysieren und Verbesserungen anzustoßen.  

In diesem Sinne haben uns sowohl die Coronapandemie als auch der weithin vorherrschende Fachkräftemangel gezeigt, dass sich in unserer Gesellschaft etwas verändern muss, was unseren Blick auf Erwerbsarbeit von Frauen, insbesondere von Müttern und Frauen, die Angehörige pflegen, angeht. Die Erwerbstätigkeit dieser Gruppe hatte während der Pandemie auf dem Arbeitsmarkt und gesellschaftlich nicht den gleichen Stellenwert wie männliche Erwerbsarbeit. Obwohl sich unsere Gesellschaft in weiten Teilen für gleichberechtigt hält, hat sich hier die weiterhin starke Wirkmächtigkeit alter Rollenmuster gezeigt. 

Dies äußerte sich darin, dass mit dem Wegfall von Betreuungsangeboten durch Präventionsmaßnahmen und Krankheitsfälle in erster Linie (wenn auch natürlich nicht ausschließlich) in erheblichem Umfang Frauen eingesprungen sind, um die zusätzlich anfallenden Care-Aufgaben zu übernehmen. Hierfür wurde wahlweise der Umfang der Erwerbstätigkeit reduziert oder aber die Sorgearbeit neben der Arbeit im Homeoffice parallel übernommen. Dabei hat zugleich die persönlich wahrgenommene Belastung insbesondere bei berufstätigen Müttern deutlich zugenommen. Frauen haben die Umstellung zu mehr Arbeit im Homeoffice Erhebungen nach durchschnittlich deutlich negativer empfunden als dies bei Männern der Fall war. Die Folge war nicht selten eine erhebliche Zunahme des empfundenen Stress-Levels bis hin zu stressbedingten psychischen Erkrankungen.  

Für uns steht fest, dass es maßgebliche Veränderungen braucht, um sowohl unserem Ideal einer partnerschaftlichen Aufteilung von Sorgearbeit gerecht werden zu können als auch mehr Frauen eine unterhaltssichernde Erwerbstätigkeit trotz Sorgearbeit zu ermöglichen.  

Mehr Zeitsouveränität – unser Verhältnis zur Erwerbsarbeit 

Eines der größten Probleme für Menschen, die Care-Aufgaben übernehmen, ist die ständige Zeitknappheit. Es fehlt Zeit für gute Sorgearbeit, soziale Beziehungen oder ehrenamtliches Engagement. Das ist nicht nur ein persönliches Problem Einzelner, sondern ein gesamtgesellschaftliches Problem. Denn Sorgearbeit ist keine rein private Arbeit, sondern eine essentielle Voraussetzung für eine funktionierende Gesellschaft. Gleiches gilt für ehrenamtliches und politisches Engagement, welche ebenfalls einen erheblichen Zeitaufwand bedeuten können.  

Um diese Bedürfnisse besser vereinbaren zu können, braucht es vor allem mehr Zeitsouveränität. Menschen definieren sich nicht allein über ihre Erwerbsarbeit. Auch soziale Beziehungen, Engagement und Sorgearbeit stellen wichtige Bestandteile eines individuellen Lebensentwurfs dar. Eine 40-Stunden Woche lässt jedoch keinen Raum, um maßgebliche Anteile von Sorgearbeit zu übernehmen und zugleich noch soziale Beziehungen oder politisches Engagement zu pflegen. Der zeitliche Anspruch von Vollzeitjobs in einer verdichteten Arbeitswelt führt daher insbesondere für Menschen, die Sorgearbeit übernehmen, zu einer ständigen Rollenüberforderung. Viele Familien lösen diese, indem insbesondere Frauen eine Doppel- oder Dreifachbelastung schultern und zugleich häufig mit reduzierten Stunden arbeiten, um allem gerecht zu werden. Dies führt jedoch allzu oft zugleich zu schlechteren beruflichen Aufstiegschancen und einem erheblich höheren Risiko von Altersarmut durch geringere Rentenansprüche.  

Eine wichtige Antwort auf dieses Problem ist eine deutliche Reduktion der Wochenarbeitszeit – bei gleichbleibendem Lohn. Nur so ermöglichen wir es Menschen, trotz Sorgearbeit in Vollzeit zu arbeiten, volle Sozialversicherungsansprüche zu erwerben und ökonomische Unabhängigkeit zu erlangen. Zudem begünstigt eine reduzierte Wochenarbeitszeit eine gesellschaftliche Entwicklung dahingehend, sich von der überhöhten Stellung von Erwerbsarbeit zu lösen und mehr Freiheit für anderes Engagement und soziale Bindungen zu ermöglichen. Die so geschaffene Zeitsouveränität bedeutet, dass Arbeitnehmer*innen mehr Kontrolle über ihre Arbeitszeit haben und diese besser an ihre individuellen Bedürfnisse anpassen können. Sie kommt daher allen Arbeitnehmer*innen zu Gute, die bereits familiäre Verantwortung tragen oder aber mehr Care-Aufgaben übernehmen möchten. Gleichzeitig schafft mehr Zeitsouveränität eine bessere Work-Life-Balance und somit eine höhere Lebensqualität und geringere Belastung für alle Beteiligten. 

Abgrenzung trotz Flexibilisierung der Arbeit 

Die Digitalisierung der Arbeitswelt hat insbesondere für berufstätige Eltern zu einer Vielzahl neuer Möglichkeiten zur Erlangung von mehr Zeitsouveränität geführt. Homeoffice bietet häufig eine leichtere Einstiegsmöglichkeit zurück in den Beruf nach Krankheit oder Elternzeit. Zugleich haben uns die Entwicklungen während der Coronapandemie aber auch eindrücklich vor Augen geführt: Die Einführung des Homeoffice heißt keineswegs, dass Care-Arbeit weniger wird oder sich wie von selbst nebenbei erledigt. Deshalb wollen wir die Chancen nutzen, die die Digitalisierung für eine bessere Vereinbarkeit bietet. Dies darf aber nicht mit dem Anspruch ständiger Erreichbarkeit einhergehen oder die Abgrenzung zwischen Privatleben und Erwerbsarbeit aufheben.  

Gleichzeitig ist uns wichtig, dass die Selbstverständlichkeit erhalten bleibt, mit der in den Lockdowns das Homeoffice als gleichwertige Tätigkeit zur Arbeit in Präsenz behandelt wurde. Nur wenn alle Arbeitnehmer*innen über alle Hierarchieebenen der Unternehmen hinweg die Möglichkeiten der Digitalisierung nutzen, kann sie zu einem echten Ermöglicher für mehr individuelle Zeitsouveränität in vielen Branchen werden. 

Betreuung neu denken 

Ein großes Hemmnis auf dem Weg zu einer gleichberechtigten Teilhabe von Eltern am Erwerbsleben stellen Defizite in der verfügbaren Kinderbetreuung dar. Fehlende Betreuungsplätze, geringe Betreuungszeiten oder starre zeitliche Vorgaben stellen eine erhebliche Einschränkung beim Wiedereinstieg ins Erwerbsleben nach einer Elternzeit dar. Dies geht regelmäßig zu Lasten der Mütter, welche häufig die Rückkehr ins Berufsleben verschieben oder Stunden reduzieren, um sich mit den Möglichkeiten der Kinderbetreuung zu arrangieren. Noch stärker betroffen von fehlenden Betreuungsmöglichkeiten sind Alleinerziehende, für welche sich eine unterhaltssichernde Erwerbsarbeit mit kleinen Kindern teils als unlösbare Aufgabe darstellen kann.  

Deshalb müssen wir KiTa-Betreuung neu denken. Diese muss sich deutlich stärker als bisher am tatsächlichen Bedarf orientieren. Dazu gehört auch, bei entsprechender Nachfrage Betreuungsplätze nach 16 Uhr oder ganztägig und bis zu 7 Tage die Woche für Schichtarbeiter*innen zu ermöglichen. Hierzu müssen Hürden abgebaut und die Zusammenarbeit mit Arbeitgeber*innen verstärkt werden.  

Gleichzeitig leben wir in einer mobileren Gesellschaft, in welcher häufig keine familiären Unterstützungsnetzwerke mehr vor Ort bestehen. Dies stellt erwerbstätige Eltern vor große Herausforderungen, was Schließzeiten der Betreuungseinrichtungen ebenso wie Krankheitstage der Kinder angeht. Kann ein Kind nicht in der KiTa betreut werden wegen Erkältung oder Fortbildungstagen der Erzieher*innen, bleibt für berufstätige Eltern nur die Wahl zwischen Kinderkrankentagen oder Urlaub. Das ist aber nicht für alle Eltern und in allen Berufen jederzeit möglich. Es braucht daher ein breiteres Unterstützungsnetzwerk, welches Eltern auch in solchen Situationen auffängt, wenn keine Großeltern oder andere Angehörige bereitstehen. Konzepte wie beispielweise Dorfgroßeltern bieten Anhaltspunkte dafür, wie eine solche Unterstützung gelingen kann, die Eltern auch jenseits der Möglichkeiten einer KiTa nicht alleine lässt.  

Partnerschaftliche Care-Arbeit unterstützen 

Unser Ziel muss es sein, überholte Rollenbilder aufzubrechen und jedem Menschen eine echte Wahlfreiheit bei der Familiengründung ebenso wie der Einteilung von Sorgearbeit zu ermöglichen.  

Ein wichtiger Beitrag hierzu ist es, längst überkommene Instrumente wie das Ehegattensplitting und die Minijobs endgültig abzuschaffen. Diese zementieren in finanzieller Hinsicht tradierte Rollenbilder und verhindern in vielen Fällen eine gleichberechtigte Aufteilung von Sorgearbeit. Längst nicht jede Familie kann es sich leisten, sich für eine partnerschaftliche Aufgabenstellung zu entscheiden, wenn diese zugleich finanzielle Einbußen aufgrund einer höheren Steuerlast bedeutet. Deshalb muss handlungsleitend sein, dass wir das bestehende System des Ehegattensplittings, das Ehen subventioniert, zu einem System weiterentwickeln, das Familien subventioniert. Auf diesem Wege können wir Familien auch finanziell besser unterstützen. 

Der Grundstein für die Aufteilung der Care-Arbeit bezogen auf ein Kind wird in einer Partnerschaft während der Elternzeit gelegt. Dabei ist es von zentraler Bedeutung, dass beide Elternteile jeweils mehr als drei Monate unabhängig voneinander Elternzeit in Anspruch nehmen. Dies steigert nachweislich erheblich die Bereitschaft, auch nach der Elternzeit eine gleichmäßigere Aufteilung der Care-Arbeit anzustreben und eigenständig Verantwortung für alltägliche Care-Aufgaben zu übernehmen. Auch wenn die aktuelle Gesetzesfassung eine solche Aufteilung in der Theorie bereits zulässt, ist sie in der Realität bei Weitem nicht der Regelfall. Sinnvoll wäre es daher, die Gesamtlaufzeit der Elternzeit für jene Eltern, die eine gleichmäßiger aufgeteilte Elternzeit nehmen, über die heutigen 14 Monate hinaus zu verlängern, um hier einen Anreiz zu schaffen. Gleichzeitig ist wichtig, dass der Satz des Elterngeldes für niedrigere Einkommensklassen spürbar erhöht wird, um auch Familien mit nur einem Haupteinkommen eine solche Aufteilung ökonomisch zu ermöglichen. 

Gesellschaftlich und politisch muss klar gemacht werden, dass es keine männliche Sphäre der Berufswelt und keine weibliche Sphäre der heimischen Care-Arbeit gibt.  

Aufwertung von Care-Arbeit  

Für eine veränderte gesellschaftliche Wahrnehmung der Bedeutung von Care-Arbeit müssen wir auch professionelle Care-Arbeit aufwerten. Care-Berufe werden weiterhin zum überwiegenden Teil von Frauen übernommen, verbunden mit einem geringen gesellschaftlichen Ansehen und geringer Anziehungskraft des Berufsbildes. Um dem entgegen zu wirken, muss der Beruf der Erzieher*innen massiv aufgewertet und attraktiver gestaltet werden. Gemeinsam mit den Gewerkschaften müssen wir für eine bessere Bezahlung ebenso wie bessere Arbeitsbedingungen im Bereich der Care-Arbeit sorgen. Nur so können wir diese zu einem attraktiven Berufsbild machen und mittelfristig genügend qualitativ hochwertige Betreuungsplätze schaffen. 

Beschluss-PDF:
Überweisungs-PDF: