U-3 Sozial gerechte CO2-Bepreisung durch einen nationalen Mindestpreis im Emissionshandel

Status:
Annahme

Wir fordern die umgehende Einführung eines nationalen CO2-Mindestpreises von 40€/t, der mindestens die derzeit im Rahmen des EU-Emissionshandels (EU-ETS) erfassten Unternehmen der Energiewirtschaft (Kraftwerksbetreiber) erfasst. Dieser CO2-Mindestpreis steigt bis zum Jahr 2050 linear auf 180€/t an. Zusätzlich zum Erwerb der CO2-Zertifikate muss die Differenz zum CO2-Mindestpreis abgeführt werden, wahrscheinlich bestenfalls als Steuer auf die Nutzung von Emissionszertifikaten. Sämtliche Einnahmen werden wie folgt verwendet: 

  1. Sämtliche Letztverbraucher mit Ausnahme der Haushaltskunden (Standardlastprofil H0) bekommen die Einnahmen anteilig ihres Stromverbrauchs am deutschen Gesamtverbrauchjährlich zurückerstattet.
  2. Stromkostenintensive Unternehmen erhalten die Rückerstattung nach 1. nur für solcheStrommengen, für die keine Reduzierung der EEG-Umlagepflicht nach der besonderen Ausgleichsregelung (BesAR) nach § 64 EEG 2021 in Anspruch genommen wurde. Damit besteht eine Wahlmöglichkeit zwischen der in 1. erwähnten Rückerstattung oder der BesAR.1 
  3. Der nach Abzug der Rückerstattung aus 1. verbleibende Betrag wird jährlich in gleicher Höhe pro Kopf als Energiefreibetrag an jede*n Bundesbürger*in zurückgezahlt.

Die Einführung des Mindestpreises soll an folgende Maßnahmen gekoppelt werden: 

  1. Indem rechtliche und sonstige Hürden abgebaut werden, die einer industriellen Eigenversorgung mit erneuerbaren Energien im Rahmen von Corporate-PPAs im Wege stehen, wird energieintensiven Industrien ermöglicht, ihre Stromkosten weiter zu reduzieren und zugleich aktiv zum Ausbau der erneuerbaren Energien beizutragen.
  2. In der Vergangenheit wurde die Befreiung von der EEG-Umlagepflicht (BesAR) auf eine Vielzahl von Unternehmen ausgedehnt, darunter zahlreiche Unternehmen, bei denen gar keine Gefahr von „CarbonLeakage“ besteht. Diese Befreiungen gingen und gehen hauptsächlich zulasten der privaten Haushalte. Nur in einzelnen Branchen (z.B. der Stahlindustrie), bei der akut ein Verlust der Wettbewerbsfähigkeit droht, wäre auch künftig eine zusätzliche Kompensation berechtigt. Ergänzend sind Grenzausgleichsteuern zu prüfen; diese werden im Rahmen des „European Green Deal“ bereits auf EU-Ebene in Erwägung
  3. Hemmnisse für den Ausbau der erneuerbaren Energien werden beseitigt, insbesondereMengenbegrenzungen und die restriktive Regulatorik, die den Ausbau der Windenergie hemmt.
  4. Mit den StrukturfördermittelnimRahmendes Kohleausstiegswerden gut ausgestattete Neuqualifizierungsprogramme für ehemalige Beschäftigte in der Braunkohleindustrie aufgelegt.
    Begründung:

    In der Energiewirtschaft liegt nach wie vor das größte, unmittelbar zu realisierende Klimaschutzpotenzial. Sie ist der einzige Sektor, der zur Senkung der deutschen Treibhausgas-Emissionen im Jahr 2019 beigetragen hat. Experten gehen davon aus, dass in diesem Sektor ein CO2-Preis von 40 Euro/t, der bis 2030 auf 90 Euro/t ansteigt, Emissionseinsparungen von 200 Mio. t CO2/Jahr bewirken würde. Der gleiche CO2-Preis würde im Gebäudebereich nur 27, im Verkehr nur acht Mio. t CO2/Jahr an Einsparungen bewirken. Maximal sozial gerecht wäre die Einführung eines Energiefreibetrags (Rückzahlung bei Haushaltskunden pro Kopf, bei gewerblichen Kunden abhängig vom Verbrauch), der durch einen nationalen CO2-Mindestpreis für die Energiewirtschaft refinanziert würde: Unternehmen der Energiewirtschaft zahlen die Differenz von Mindestpreis und Zertifikatspreis im EU-ETS in Form einer Steuer auf die Zertifikate. Die Sozialverträglichkeit bei gleichzeitiger Effektivität liegt daran, dass die Technologien zur CO2-Vermeidung im Stromsektor – regenerative Energieträger – zu sehr günstigen Kosten zur Verfügung stehen. In keinem anderen Sektor sind die CO2-Vermeidungskosten so niedrig, weshalb dort sozialverträglicher Klimaschutz eher mit Ordnungsrecht und Investitionen operieren müsste. Die vorgeschlagene CO2-Bepreisung im Energiesektor führt stattdessen sogar zu einer Entlastung der Haushaltskund*innen und großer Teile der Industrie und bewirkt eine stark progressive Umverteilung. 

    Zu erwarten ist: 

    1. Die Börsenstrompreise steigen, was zugleich die EEG-Umlage deutlich senkt und damit die niedrigen Stromgestehungskosten der erneuerbaren Energien endlich an dieEndkund*innen weiterleitet („EEG-Paradoxon“). Die sinkende EEG-Umlage stärkt das EEG und eröffnet Möglichkeiten, das Förderregime wieder zu stärken.
    2. Durch die Angleichung der Grenzkosten verschiedener Kraftwerkstechnologien (Gas wird weniger belastet als Braunkohle), steigt die Konsumentenrente zulasten der Produzentenrente. Es kann eine Netto-Entlastung der Verbraucher*innen erzielt werden, da Überrenditen der Energiewirtschaft (aktuell auf Kosten des Klimas) abgebaut
    3. Der ansteigende Mindestpreis schafft Planbarkeit und Investitionssicherheit. Anderweitig angereizte Emissionseinsparungen (z.B. durch Ausbau der EE durch das EEG) gehen nicht zulasten der Anreizwirkung, da der Mindestpreis den Verfall der Zertifikatspreise
    4. Durch die Pro-Kopf-Rückerstattung als Energiefreibetrag, werden Endverbraucher*innen an das Konzept der aufkommensneutralen CO2-Beprei-sung gewöhnt. Die Stromkostensenkung durch den Freibetrag geht jedoch nicht zulasten des Stromsparanreizes, da die Arbeitspreise weitestgehend unverändert Geringverbrauchende werden stärker entlastet, als Vielverbrauchende. Weiterhin beseitigt man die potenzielle Ungerechtigkeit, dass Braunkohlekraftwerksbetreiber weniger für CO2-Verschmutzung bezahlen müssen, als dies von Pendler*innen im rigiden Nationalen Zertifikatehandel für Brennstoffemissionen ab 2021 verlangt wird.
    5. Der CO2-Mindestpreis bewirkt je nach Preispfad einen Kohleausstieg bis 2030, spätestens 2032 und ist eine sinnvolle Ergänzung zum ordnungsrechtlichen Ausstieg. Die Möglichkeit höchst ungerechter Entschädigungen für Uralt-Kraftwerke sinkt massiv. Die Einführung eines Mindestpreises kann erfolgen, ohne dass die Zieldaten des Kohlekompromisses verändert werden müssen.

      Fazit: Der vorliegende Vorschlag hat das Potenzial, die klimapolitische Misere der SPD zu durchbrechen. Kein anderer politischer Vorschlag hat das Potenzial, derart schnell die deutschen Treibhausgas-Emissionen zu senken. Die Energiewende würde neu dynamisiert werden, indem man die fossile Energiewirtschaft politisch isoliert. Die Kernergebnisse der „Kohlekommission“ 

      in den Bereichen Strukturwandel und Beschäftigung werden nicht angetastet. Sehr wohl würde sich die SPD aber ihrer historischen Verantwortung stellen und das Marktversagen viel zu niedriger Zertifikatspreise ohne Lenkungswirkung im von ihr 2005 eingeführten EU- ETS zu beseitigen. 

      Durch die unmittelbare Verknüpfung von progressiver Verteilungswirkung und Klimaschutz könnten von links bis in die grüne Mitte Glaubwürdigkeit und perspektivisch Wähler*innen zurückgewonnen 

      werden. 

      Empfehlung der Antragskommission:
      Überweisen an: Bundestagsfraktion