Parlamente müssen grundsätzlich paritätisch mit Frauen* besetzt sein, um als demokratisch legitimiertes Organ der Gesetzgebung angemessen die Bevölkerung abzubilden. Nur so kann eine Repräsentation der Wähler*innen erreicht werden.
Daher fordern wir, das Wahlrecht dahingehend zu ändern, dass eine entsprechende Zusammensetzung der Parlamente gewährleistet wird. Dazu fordern wir als ersten wichtigen Schritt für die Bundestags- und Landtagswahlen:
- Direktmandate werden wie bisher durch die Parteien aufgestellt und in direkter Wahl durch die Bürger*innen gewählt.
- Sollten die von einer Partei errungenen Direktmandate mehrheitlich männlich besetzt sein, ziehen über die übrigen Listenplätze ausschließlich Frauen* in das Parlament ein, bis eine paritätische Besetzung von 50 Prozent erreicht ist.
- Im Übrigen, falls also von einer Partei keine Direktmandate erzielt wurden oder für die weiteren Plätze nachdem eine Besetzung mit 50 Prozent Frauen* erreicht wurde, ziehen die Kandidat*innen der Liste im Reißverschlussverfahren ein.
- Sofern keine weiteren Frauen* mehr auf der Liste stehen, um die errungenen Plätze in diesem Verfahren zu besetzen, verfallen die übrigen Mandate einer Partei.
Für Kommunalwahlen sind durch die Länder entsprechende Regelungen, die eine Parität sicherstellen, zu verabschieden. Ebenso gilt dies für die Wahlen zum europäischen Parlament.
Wo stehen wir?
Es ist traurige Realität, dass wir auch 99 Jahre nach Einführung des aktiven und passiven Wahlrechts für Frauen* noch immer keine geschlechtergerechte Besetzung der Parlamente, unserer Gesetzgebungsorgane, erreicht haben. Nicht nur sind wir von einem Frauen*anteil von 50%, wie er dem Anteil der Frauen* an der Wahlbevölkerung entsprechen würde, in Bundestag und Landtagen weit entfernt. Im Jahr 2017 hat sich der Frauen*anteil sowohl im Bundestag als auch im niedersächsischen Landtag sogar noch verringert.
Derzeit beträgt der Frauen*anteil der Bundestagsabgeordneten nur 31 %. Im letzten Bundestag, bis 2017, waren es immerhin 37,1 %. Zum Vergleich: 1990 lag der Frauen*anteil im Bundestag immer noch bei desaströsen 20,5 %, 1998 stieg er auf 30, 9%, während es 2002 mit 32,5% sogar mehr als heute waren.
Schaut man auf den Anstieg des Frauen*anteils der vergangenen Legislaturperioden wird klar, dass sich eine paritätische Besetzung des Parlaments auf absehbare Zeit nicht von alleine ergeben wird. Es handelt sich um keine Nachwehe des viel zu spät anerkannten Frauen*wahlrechts, sondern um ein strukturelles Problem der Politik. Und diese strukturelle Benachteiligung ist dort am stärksten ausgeprägt, wo es kein Gegengewicht durch verbindliche Frauen*quoten gibt. So ist der Frauen*anteil in den Fraktionen der Grünen, der Linken und der SPD mit jeweils über 40%, teilweise sogar über 50% nahezu ausgeglichen (Grüne: 58,2%; Linke: 53,6%; SPD: 41,8%). In jenen Parteien, die sich selber keine Quotierung für Wahllisten auferlegt haben, ist der Frauen*anteil dagegen deutlich schlechter oder auch so gut wie nicht existent (CDU: 19,9 %, FDP: 22,5 %; AFD: 10,8 %).
Ein ähnliches Bild ergibt sich mit Blick auf den ebenfalls 2017 neu gewählten niedersächsischen Landtag. Hier beträgt der Frauen*anteil seit der Wahl sogar nur 27,7 %. Bis zur Wahl 2017 waren es hier dagegen noch 31,4% Frauen*. Der niedersächsische Landtag liegt damit sogar noch weiter jenseits einer gleichberechtigten Repräsentation der Bevölkerung als der Bundestag.
Wo wollen wir hin?
Eine gleichberechtigte Beteiligung im Parlament, nur das ist fair und nur das ist demokratisch. Wo Gesetze gemacht und Entscheidungen getroffen werden müssen Frauen* zu gleichen Teilen beteiligt werden. In unserer repräsentativen Demokratie muss die Bevölkerung einen effektiven Einfluss die Staatsorgane haben. Tatsächlich fehlt Frauen* dieser Einfluss jedoch, da sie im Parlament nicht repräsentativ vertreten sind. Ihre Interessen und Perspektiven bleiben im Wesentlichen unberücksichtigt.
Wenn aber 50 % der Bevölkerung in unseren Parlamenten nicht ausreichend vertreten sind, untergräbt das nicht nur die demokratische Legitimation dieser Institutionen, es heißt zugleich auch, dass die männliche Hälfte der Bevölkerung mit ihren Interessen und Vorstellungen überrepräsentiert sind.
Bei allen Gleichstellungsdebatten in beruflichem oder familiärem Umfeld darf nicht ausgeblendet werden, dass es gerade die Politik ist, von der aus die Rahmenbedingungen unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens gesetzt werden. Gerade unserer Gesetzgebung darf daher die weibliche Perspektive nicht fehlen, gerade dadurch wird das patriarchale System, in dem nur Männer die Regeln machen, gestützt!
Es zeigt sich damit, dass das Patriarchat nicht nur zu einer männlichen Dominanz in der Wirtschafts- und Arbeitswelt führt, auch in der Politik besteht ein krasses Missverhältnis bei der Repräsentanz der Geschlechter. Selbst die EU-Kommission hat bereits 2013 ein solches Missverhältnis von Männern und Frauen* in der Wirtschaft wie auch in der Politik in vielen EU-Mitgliedsstaaten scharf kritisiert und als undemokratisch bewertet – und Maßnahmen von den Mitgliedern gefordert. In unseren Nachbarländern hat dies zum Teil bereits gefruchtet, dort wurden in Frankreich, Irland, Belgien, Polen, Portugal, Slowenien, Spanien und Griechenland mittlerweile Quoten-Regelungen für Wahlen eingeführt.
Wie kommen wir zum Ziel?
Die Männer werden die Positionen nicht freiwillig räumen um für mehr Frauen* in der Politik Platz zu machen. Nachdem 100 Jahre seit Einführung des Frauen*wahlrechts nicht genug Zeit waren, um Frauen* in der Politik angemessen zu berücksichtigen, wird sich das Problem nicht von allein lösen. Es handelt sich dabei um keine Einzelfälle oder individuelle Probleme von Frauen*, die benachteiligt werden – die Diskriminierung hat System. Deshalb braucht es klare Regelungen, die eine paritätische Teilhabe von Frauen* an der Politik sicherstellen – für alle Parteien. Nur so können bestehende Strukturen, die Frauen* von politischen Mandaten abhalten, aufgebrochen werden.
Eine verbindliche Quote für unsere Parlamente ist der einzige Weg, um Frauen* gleichberechtigt in politische Entscheidungen einzubinden; um sicherzustellen, dass die Interessen von Frauen* Gehör finden; und um eine lange überfällige Förderung von Frauen* in der Politik zu erreichen. Wir brauchen Vorbilder, die anderen Frauen* das Gefühl geben, den Schritt in die Politik wagen und dort etwas erreichen zu können. Wir müssen aber auch die Voraussetzungen politischen Engagements überdenken und Hindernisse verschiedenster Art abbauen, welche talentierte und qualifizierte Frauen* von politischen Ambitionen abhalten. Die Frauen*quote ist dafür nur ein erster Schritt, aber ein entscheidender. Gleichzeitig ist die Quote auch hier wie überall kein Selbstzweck, sondern soll letztendlich durch eine eigenständig funktionierende paritätische Besetzung der Parlamente überflüssig werden.
Ziel muss sein, dass nicht nur jene Fraktionen paritätisch besetzt sind, welche sich freiwillig und parteiintern eine Quote gegeben haben, sondern ALLE. Parteien, die eine entsprechende Berücksichtigung von Frauen* auf ihren Wahllisten nicht gewährleisten, muss als Konsequenz der Verlust von Parlamentssitzen drohen, um die Quotierung auch gegenüber jenen Parteien durchsetzen zu können, welche das Ziel einer gleichberechtigten Teilhabe der Geschlechter an der politischen Entscheidungsfindung nicht teilen. Von demokratischer, gleichberechtigter Teilhabe kann sich keine Partei ausnehmen, sie muss unbedingte Voraussetzung für die Beteiligung in einem Parlament sein.
Dieser Antrag soll während des ordentlichen Bezirksparteitages im Rahmen der Arbeitsgruppe Parité diskutiert werden. Die hier gewonnenen Ergebnisse sollen dann an die beim SPD-Landesverband Niedersachsen zu diesem Thema eingerichtete Arbeitsgruppe gegeben werden.
Dieser Antrag wurde während des ordentlichen Bezirksparteitages im Rahmen der Arbeitsgruppe Parité diskutiert. Die hier gewonnenen Ergebnisse werden dann an die beim SPD-Landesverband Niedersachsen zu diesem Thema eingerichtete Arbeitsgruppe gegeben.