I-3 Neue Akzente in der deutschen und europäischen Lateinamerika-Politik

Status:
Annahme

Wir fordern, dass die Länder Lateinamerikas wieder stärker in den Fokus der deutschen und europäischen Außenpolitik rücken. Dazu gehört für uns, dass eine engere kulturelle, bildungspolitische, wirtschaftliche und diplomatische Zusammenarbeit gibt. Gegenwärtig spielt Lateinamerika eine untergeordnete Rolle in der deutschen Außenpolitik. Wir fordern, dass die Bundesrepublik Deutschland und die Europäischen Union trotz ihrer vielfältigen Wirtschafts- und Handelsbeziehungen eine eigenständige, strategische und wertgeleitete Politik für Lateinamerika entwickeln. 

Ungeachtet ihrer unterschiedlichen Geschichte und natürlichen Randbedingungen teilen die  Lateinamerikanischen Staaten vergleichbare Entwicklungen und Erfahrungen. Daher können große politische Linien Teil eines Konzeptes für eine neue Lateinamerika-Politik sein. Dennoch muss klar sein, dass jeder Staat Lateinamerikas eine einzigartige Geschichte und Kultur hat, die in einer Außenpolitik der Bundesrepublik und der EU zu berücksichtigen sind. 

Kultureller Austausch kann dazu beitragen das Verständnis zwischen Menschen unterschiedlicher Herkunft zu verbessern. Daher fordern wir die kulturelle Zusammenarbeit zu intensivieren und zu verstärken. Dazu gehört eine Auseinandersetzung mit der Geschichte und den Lebensrealitäten der Menschen Lateinamerikas. Dieser Austausch kann bereits auf der lokalen Ebene stattfinden. 

Kontakte zwischen Vereinen vor Ort können gefördert werden um auf beiden Seiten des Atlantiks Menschen direkt zu erreichen und zu sensibilisieren. Um trotz begrenzter öffentlicher Mittel den kulturellen Austausch mit Lateinamerika zu verstärken können wie bei der Einrichtung des deutsch-französischen Kulturinstituts in Brasilien Synergien intelligent genutzt werden. 

Während die Werte des Index für menschliche Entwicklung der Vereinten Nationen für die Staaten Lateinamerikas eine sehr positive Tendenz aufweisen – alle Länder sind 2018 als hoch oder sehr hoch entwickelt eingestuft – prägt eine starke Ungleichheit die sozialen Verhältnisse. Gerade die indigene Bevölkerung, Menschen afrikanischer Herkunft und Frauen sind von starken Diskriminierungen und Ausgrenzung betroffen.  Hier sollte die deutsche und europäische Zusammenarbeit ansetzen um soziale Gerechtigkeit und die Verwirklichung aller Menschenrechte zu fördern. Die Bundesrepublik Deutschland unterstützt so zum Beispiel bereits den Friedensprozess in Kolumbien. Doch auch in anderen Lateinamerikanischen Staaten sind Geschichte und Gesellschaft von abgeschlossenen, aber nicht überwundenen Konflikten geprägt. Der Umgang der chilenischen Regierung mit den sozialen Protesten bedarf einer kritischen und gründlichen Aufarbeitung. Europäische und deutsche Unterstützung können diese Prozesse begleiten und beraten. 

Traditionell hat Deutschland seit jeher gute und langfristige Handelsbeziehungen nach Lateinamerika. Die wirtschaftliche Zusammenarbeit kann aber noch verstärkt werden, auch um den lateinamerikanischen Staaten ein demokratisches Gegenangebot zum wirtschaftlichen Engagement der Volksrepublik China zu machen. Angesichts der Digitalisierung sind die Rohstoffvorkommen Lateinamerikas von hoher Relevanz für das globale Wachstum. Bei der Förderung der Ressourcen – auch zugunsten Europas – muss sichergestellt werden, dass die Wertschöpfung zu großen Teilen in Lateinamerika erfolgen kann und die wirtschaftliche Entwicklung die soziale Spaltung des Kontinents nicht weiter verstärkt, sondern ihr entgegenwirkt. Bei allen Aktivitäten müssen die deutsche und europäische Wirtschafts- und Handelspolitik auf Nachhaltigkeit achten. Dies umfasst die Achtung der Menschenrechte, gute Arbeit, den Schutz der Umwelt und natürlichen Ressourcen. Unter diesen Gesichtspunkten ist auch das Freihandelsabkommen mit den Mercosur-Staaten zu bewerten, anzupassen und ggf. auszusetzen. Des weiteren hat auch das Land Niedersachsen eine besondere Verantwortung gegenüber Lateinamerika. Der Volkswagen-Konzern betreibt zur Zeit Werke in Argentinien, Brasilien und Mexiko. Wir fordern die niedersächsische Landesregierung auf, ihren Einfluss durch die Beteiligung bei VW auch dafür zu nutzen, um die Achtung von Menschenrechte, die Repräsentant indigener Belegschaften und den Umweltschutz auch bei den Aktivitäten in Lateinamerika zu stärken. Die Firmenpolitik VWs darf sich nicht demokratisch fragwürdigen Regierungen anbiedern. 

 Zuletzt soll der wesentlich Aspekt der Außenpolitik betrachtet werden, die diplomatischen Beziehungen. Lateinamerika hat, trotz vieler positiven Entwicklungen in den Jahren seit 2000, ein Roll-back erlebt. Staaten wie Venezuela versinken in Korruption, bürgerkriegsähnlichen Zuständen und Armut. Es wurde zu einem Staat der seine eigenen Bürger*innen leiden lässt und dabei im Namen des Sozialismus unter brutaler Herrschaft einer kleinen eingeschworenen Gruppe an Herrschenden nutzt. Die dadurch ausgehöhlte Legitimität der Regierung wurde geschickt durch eine reaktionäre und rechte Opposition genutzt, die vor allem Kapitalinteressen vertritt. Die EU und die Bundesrepublik Deutschland haben sich in diesem innerstaatlichen Konflikt sehr unglücklich positioniert und engagiert. Die Diplomatie und Außenpolitik sollten in erster Linie darauf hinwirken die humanitäre Lage zu verbessern und einen rechtsstaatlich adäquaten Übergang zu unterstützen. 

 Mit großer Sorge nehmen wir ebenfalls die Entwicklungen in Bolivien wahr. Auch hier hat die amtierende sozialistische Regierung Grundsätze der freien Wahlen und Meinungsäußerungen verletzt, wenngleich nicht in annähernd mit dem Zustand Venezuelas vergleichbar. Eine von weißen Evangelikalen geprägte Gegenbewegung zu Evo Morales Sozialist*innen versucht nun die Herrschaft zu erringen und spart dabei nicht an rassistischen Ressentiments gegen die indigene Bevölkerung.  Bereits jetzt wird von massiver (Polizei)gewalt gegen Anhänger*innen Morales und Indigene berichtet. 

Seit der Wahl des rechtsextremen Jair Bolsonaro zum Präsidenten Brasiliens, entwickelt sich das Land in die falsche Richtung, besonders was den Umweltschutz, die Rechte von Minderheiten und die demokratischen Institutionen betrifft. Die ohnehin schon hohe Zahl der Toten durch Polizeieinsätze in den Favelas ist rapide angestiegen und die Erfolge in der Armutsbekämpfung drohen rückgängig gemacht zu werden. 

Deutschland und Europa müssen diesen beispielhaften Entwicklungen des letzten Jahres auf der großen politischen Bühne entgegenwirken. Man muss dort wo es geht, Organisationen fördern und schützen, die diesen teils menschenverachtenden Entwicklungen unterbinden wollen und muss den Regierenden verdeutlichen, dass Demokratie, Menschenrechte und soziale Gerechtigkeit auch in Lateinamerika ein wichtiges Ziel sind. Wir fordern, dass ein Abweichen von diesen Prinzipien und die Bereicherung einer kleinen Klientel auf Kosten der Bevölkerung nicht ohne Folgen bleiben dürfen. Unsere Solidarität gilt den Unterdrückten, den Kämpfer*innen für Freiheit und Gerechtigkeit und den Genoss*innen unserer Partnerorganisationen!

Empfehlung der Antragskommission:
Annahme in der Fassung der AK
Version der Antragskommission:

Wir fordern, dass die Länder Lateinamerikas wieder stärker in den Fokus der deutschen und europäischen Außenpolitik rücken. Dazu gehört für uns, dass es eine engere kulturelle, bildungspolitische, wirtschaftliche und diplomatische Zusammenarbeit gibt.

Gegenwärtig spielt Lateinamerika eine untergeordnete Rolle in der deutschen Außenpolitik. Wir fordern, dass die Bundesrepublik Deutschland und die Europäischen Union trotz ihrer vielfältigen Wirtschafts- und Handelsbeziehungen eine eigenständige, strategische und wertgeleitete Politik für Lateinamerika entwickeln. 

 

Adressat:

Bundestagsfraktion