Mitten in der Sommerpause hat das Bundesinnenministerium ein Diskussionspapier vorgelegt, in dem diverse Verschärfungen im Umgang mit Geflüchteten vorgeschlagen werden. Menschenrechtsorganisationen kritisieren die Vorschläge scharf. Besonders problematisch sehen wir folgende Aspekte:
- Verlängerung des Ausreisegewahrsams: Die bisherige Höchstdauer soll von zehn auf 28 Tage erhöht werden. Einen Menschen fast einen Monat zu inhaftieren, um in Ruhe seine Abschiebung vorbereiten zu können, betrachten wir als völlig unverhältnismäßig. Dabei gibt es mit der Abschiebehaft schon jetzt die Möglichkeit, ausreisepflichtige Personen über längere Zeiträume festzusetzen. Die Abschiebehaft ist aber zurecht an strengere Voraussetzungen geknüpft. Durch die Verlängerung des Ausreisegewahrsams werden diese strengeren Regelungen faktisch umgangen.
- Einschränkung der Unverletzlichkeit der Wohnung: Nach den Vorschlägen des Bundesinnenministeriums sollen die Behörden nicht nur das Zimmer der abzuschiebenden Person selbst betreten dürfen, sondern auch die Zimmer, in denen andere Geflüchtete wohnen. Damit wird massiv in ihr Grundrecht, nämlich die Unverletzlichkeit der Wohnung, eingegriffen. Dieser Grundrechtseingriff ist nicht nur unverhältnismäßig, er ist auch besonders problematisch bei Geflüchteten, die in ihren Herkunftsländern und oft während der Flucht traumatische Erfahrungen machen mussten und denen, auch mit Blick auf eine mögliche Integration in Deutschland, das Gefühl von Sicherheit vermittelt werden müsste.
- Das Durchsuchen der Handys von Geflüchteten, wenn diese keinen Pass vorlegen können, als schwerwiegenden Eingriff in die Privatsphäre
- Kriminalisierung nicht-straffälliger Personen aufgrund der Zugehörigkeit zu Familien, die als sog. “Clans” eingestuft werden. Was als Schlag gegen die organisierte Kriminalität dargestellt wird, ist in Wahrheit eine Kriminalisierung von Menschen aufgrund ihrer Familienzugehörigkeit. Schon jetzt führt das Konzept der “Clan-Kriminalität” dazu, dass Menschen aufgrund ihres Nachnamens in einen Kontext mit der organisierten Kriminalität gesetzt werden, obwohl entweder gar nicht oder nicht in diesem Rahmen straffällig geworden sind. Nun eröffnet das Diskussionspapier des Bundesinnenministeriums die Debatte, ob “Angehörige” solcher “Gemeinschaften der organisierten Kriminalität” auch dann abgeschoben werden können, wenn sie selbst gar keine Straftaten begangen haben (“unabhängig von einer strafrechtlichen Verurteilung”). Das ist nichts weiter als Sippenhaft, die wir kategorisch ablehnen. Auch wenn sich diese Rhetorik juristisch wohl kaum umsetzen lassen wird, rückt sie Migration doch stark in die Nähe von Kriminalität, trägt damit zu rassistischen Vorurteilen bei und ist Wasser auf den Mühlen der AfD. Von einem sozialdemokratisch geführten Ministerium erwarten wir hier mehr Feingefühl für die gesellschaftlichen Konsequenzen eines Debattenbeitrags.
- Abschiebung ohne erneute Vorwarnung: Das Diskussionspapier schlägt vor, aus Paragraf 60a Aufenthaltsgesetz die Regelung zu streichen, nach der Menschen vor einer Abschiebung erneut vorgewarnt werden müssen, wenn sie länger als ein Jahr in Deutschland geduldet leben. Durch die Streichung dieser Regelung wird eine enorme Unsicherheit für geduldete Personen geschaffen. Bislang muss einen Monat vor der Abschiebung gewarnt werden, sodass die Personen ihre persönlichen Angelegenheiten regeln oder z.B. rechtliche Beratung einholen können. Diese Unsicherheit steht im Widerspruch zum maßgeblich sozialdemokratisch geprägten Chancenaufenthaltsrecht, das Perspektiven und Rechtssicherheit für langfristig Geduldete schaffen soll. Wir sind davon überzeugt, dass ein so schwerwiegender Eingriff wie eine Abschiebung weiterhin mit einer erneuten Vorwarnung verbunden sein muss.
Mit dem Diskussionspapier schließt sich das Bundesinnenministerium dem Teil der öffentlichen Debatte an, der Migration vor allem mit dem Fokus auf Abschiebungen und Grundrechtseinschränkungen für Geflüchtete betrachtet. “Erleichterte Abschiebungen” werden zum Hauptziel – nicht der Schutz für Geflüchtete oder ihre Integration. Dabei verschleiert diese Debatte, dass viele der Ausreisepflichtigen aus guten Gründen nicht abgeschoben werden können und dass auch die Vorschläge des Innenministeriums daran nichts ändern werden. Viele Betroffene werden aus schwerwiegenden familiären Gründen und wegen familiären Bindungen nicht abgeschoben, viele weitere befinden sich in einer Ausbildung oder kommen aus Ländern wie dem Irak oder Afghanistan, in die aus guten Gründen wenig oder gar nicht abgeschoben wird. Wieder andere werden von ihren Heimatländern nicht aufgenommen. Die Vorschläge des Bundesinnenministeriums werden deshalb nur dazu führen, dass die Abschiebepraxis für die Betroffenen noch härter wird. Zu mehr Abschiebungen und weniger Asylbewerber*innen wird sie nicht führen. Stattdessen sollte sich der Bund endlich darauf konzentrieren, die Kommunen bei der Finanzierung der Unterbringung der Geflüchteten stärker zu unterstützen. Von rechter Rhetorik, sei sie von der CDU, sei sie von der AfD, dürfen wir uns nicht treiben lassen! Wir stehen selbstbewusst zu einer progressiven Migrationspolitik, die z.B. in dem Chancenaufenthaltsrecht zur Geltung kommt!
Mitten in der Sommerpause hat das Bundesinnenministerium ein Diskussionspapier vorgelegt, in dem diverse Verschärfungen im Umgang mit Geflüchteten vorgeschlagen werden. Menschenrechtsorganisationen kritisieren die Vorschläge scharf. Besonders problematisch sehen wir folgende Aspekte:
- Verlängerung des Ausreisegewahrsams: Die bisherige Höchstdauer soll von zehn auf 28 Tage erhöht werden. Einen Menschen fast einen Monat zu inhaftieren, um in Ruhe seine Abschiebung vorbereiten zu können, betrachten wir als völlig unverhältnismäßig. Dabei gibt es mit der Abschiebehaft schon jetzt die Möglichkeit, ausreisepflichtige Personen über längere Zeiträume festzusetzen. Die Abschiebehaft ist aber zurecht an strengere Voraussetzungen geknüpft. Durch die Verlängerung des Ausreisegewahrsams werden diese strengeren Regelungen faktisch umgangen.
- Einschränkung der Unverletzlichkeit der Wohnung: Nach den Vorschlägen des Bundesinnenministeriums sollen die Behörden nicht nur das Zimmer der abzuschiebenden Person selbst betreten dürfen, sondern auch die Zimmer, in denen andere Geflüchtete wohnen. Damit wird massiv in ihr Grundrecht, nämlich die Unverletzlichkeit der Wohnung, eingegriffen. Dieser Grundrechtseingriff ist nicht nur unverhältnismäßig, er ist auch besonders problematisch bei Geflüchteten, die in ihren Herkunftsländern und oft während der Flucht traumatische Erfahrungen machen mussten und denen, auch mit Blick auf eine mögliche Integration in Deutschland, das Gefühl von Sicherheit vermittelt werden müsste.
- Das Durchsuchen der Handys von Geflüchteten, wenn diese keinen Pass vorlegen können, als schwerwiegenden Eingriff in die Privatsphäre
- Kriminalisierung nicht-straffälliger Personen aufgrund der Zugehörigkeit zu Familien, die als sog. “Clans” eingestuft werden. Was als Schlag gegen die organisierte Kriminalität dargestellt wird, ist in Wahrheit eine Kriminalisierung von Menschen aufgrund ihrer Familienzugehörigkeit. Schon jetzt führt das Konzept der “Clan-Kriminalität” dazu, dass Menschen aufgrund ihres Nachnamens in einen Kontext mit der organisierten Kriminalität gesetzt werden, obwohl entweder gar nicht oder nicht in diesem Rahmen straffällig geworden sind. Nun eröffnet das Diskussionspapier des Bundesinnenministeriums die Debatte, ob “Angehörige” solcher “Gemeinschaften der organisierten Kriminalität” auch dann abgeschoben werden können, wenn sie selbst gar keine Straftaten begangen haben (“unabhängig von einer strafrechtlichen Verurteilung”). Das ist nichts weiter als Sippenhaft, die wir kategorisch ablehnen. Auch wenn sich diese Rhetorik juristisch wohl kaum umsetzen lassen wird, rückt sie Migration doch stark in die Nähe von Kriminalität, trägt damit zu rassistischen Vorurteilen bei und ist Wasser auf den Mühlen der AfD. Von einem sozialdemokratisch geführten Ministerium erwarten wir hier mehr Feingefühl für die gesellschaftlichen Konsequenzen eines Debattenbeitrags.
- Abschiebung ohne erneute Vorwarnung: Das Diskussionspapier schlägt vor, aus Paragraf 60a Aufenthaltsgesetz die Regelung zu streichen, nach der Menschen vor einer Abschiebung erneut vorgewarnt werden müssen, wenn sie länger als ein Jahr in Deutschland geduldet leben. Durch die Streichung dieser Regelung wird eine enorme Unsicherheit für geduldete Personen geschaffen. Bislang muss einen Monat vor der Abschiebung gewarnt werden, sodass die Personen ihre persönlichen Angelegenheiten regeln oder z.B. rechtliche Beratung einholen können. Diese Unsicherheit steht im Widerspruch zum maßgeblich sozialdemokratisch geprägten Chancenaufenthaltsrecht, das Perspektiven und Rechtssicherheit für langfristig Geduldete schaffen soll. Wir sind davon überzeugt, dass ein so schwerwiegender Eingriff wie eine Abschiebung weiterhin mit einer erneuten Vorwarnung verbunden sein muss.
Mit dem Diskussionspapier schließt sich das Bundesinnenministerium dem Teil der öffentlichen Debatte an, der Migration vor allem mit dem Fokus auf Abschiebungen und Grundrechtseinschränkungen für Geflüchtete betrachtet. “Erleichterte Abschiebungen” werden zum Hauptziel – nicht der Schutz für Geflüchtete oder ihre Integration. Dabei verschleiert diese Debatte, dass viele der Ausreisepflichtigen aus guten Gründen nicht abgeschoben werden können und dass auch die Vorschläge des Innenministeriums daran nichts ändern werden. Viele Betroffene werden aus schwerwiegenden familiären Gründen und wegen familiären Bindungen nicht abgeschoben, viele weitere befinden sich in einer Ausbildung oder kommen aus Ländern wie dem Irak oder Afghanistan, in die aus guten Gründen wenig oder gar nicht abgeschoben wird. Wieder andere werden von ihren Heimatländern nicht aufgenommen. Die Vorschläge des Bundesinnenministeriums werden deshalb nur dazu führen, dass die Abschiebepraxis für die Betroffenen noch härter wird. Zu mehr Abschiebungen und weniger Asylbewerber*innen wird sie nicht führen. Stattdessen sollte sich der Bund endlich darauf konzentrieren, die Kommunen bei der Finanzierung der Unterbringung der Geflüchteten stärker zu unterstützen. Von rechter Rhetorik, sei sie von der CDU, sei sie von der AfD, dürfen wir uns nicht treiben lassen! Wir stehen selbstbewusst zu einer progressiven Migrationspolitik, die z.B. in dem Chancenaufenthaltsrecht zur Geltung kommt!