Die Zeit wird knapp, um das beschlossene 1,5-Grad-Ziel aus dem Übereinkommen von Paris der UN-Klimakonferenz aus dem Jahr 2015 noch einzuhalten. Klimaforscher*innen mahnen nunmehr seit Jahren die verheerenden Folgen des Klimawandels und der damit einhergehenden Erderwärmung an. Um zum Beispiel den bedrohlichen Meeresspiegelanstieg durch die Eisschmelze oder vermehrte Extremwetterereignisse wie heftige Regenfälle sowie Dürren und Waldbrände zu minimieren, muss jenes 1,5-Grad-Ziel erreicht werden. Die in der letzten Zeit eingetretenen Extremwetterereignisse wie die Flutkatastrophe im Ahrtal, die Dürre und Waldbrände in Europa oder die Überschwemmungen in Pakistan zeigen die realen Auswirkungen des Klimawandels. Und dennoch werden beschlossene Klimaziele in einzelnen Sektoren Jahr für Jahr nicht eingehalten. Ebenso wird der Kurs zum Erreichen der Klimaneutralität nur unzureichend nachgebessert, sodass das Ziel, im Jahre 2045 klimaneutral zu sein, immer unwahrscheinlicher wird.
Bei der notwendigen globalen Perspektive geht der Weltklimarat (IPCC) in einem Klimabericht mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent davon aus, dass die kritische Marke der Erderwärmung von 1,5 Grad bereits im Jahr 2026 überschritten wird. Nach Berechnungen des IPCC ist theoretisch eine Erderwärmung bis zum Ende des Jahrhunderts von 1,4 bis 4,4 Grad Celsius möglich. Für wahrscheinlich halten die Wissenschaftler*innen eine Erhitzung mit dramatischen Auswirkungen von 3,2 Grad bis zum Jahr 2100, da die Treibhausgasemissionen zwar langsamer, aber immer noch zu- statt abnehmen.
Um das 1,5-Grad-Ziel doch noch zu erreichen, müssen wir die Emissionen schnellstmöglich auf eine Netto-Null senken. Dabei steht der globale Norden, der durch sein emissionsintensives System vornehmlich zum anthropogenen Klimawandel beiträgt, in besonderer Handlungsverantwortung. Die Klimaneutralität wollen wir hierzu bis zum Jahr 2040 mit einem strikten 1,5-Grad-Pfad erreichen. Ein wichtiger Bereich zur Dekarbonisierung im Rahmen der sozial-ökologischen Transformation ist dabei der Energiesektor, der global und auch in Deutschland für jeweils über ein Drittel der verursachten Gesamtemissionen verantwortlich ist. Der Energiesektor und -markt steht aktuell doch nicht nur im Rahmen der Dekarbonisierung im Fokus, sondern in besonderer Hinsicht auch wegen der hohen Abhängigkeit von fossilen Energieträgern seit dem 24. Februar 2022, dem Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine.
Deutschland ist sowohl in der Strom- als auch in der Energieversorgung nach wie vor stark abhängig von atomar-fossilen Energien und insbesondere von fossilen Energieträgern. Im Jahr 2022 wurde Strom nämlich fast 45% aus fossilen Energieträgern und über 6% aus Kernenergie erzeugt. Der Anteil von erneuerbaren Energien betrug entsprechend nur rund 49%. Eine noch größere Abhängigkeit von den fossilen Energieträgern Kohle, Gas und Öl zeigt sich im gesamten Energiemix mit einem Anteil in Höhe von über 78%. Erneuerbare Energien decken am Energieverbrauch nur einen kleinen Anteil von rund 17%. Der Weg zu einem klimaneutralen Stromsystem und zu einer klimaneutralen Energieversorgung in weiteren Sektoren wie der Industrie oder im Gebäude- und Verkehrssektor ist somit noch weit. Trotz des beschlossenen Klimaziels und dem angehobenen 80%-Ziel erneuerbarer Energien bei der Stromversorgung bis zum Jahr 2030, stockt der Ausbau regenerativer Energien in den letzten Jahren erheblich, vor allem der Ausbau von Windenergieanlagen. Der Ausbau von erneuerbaren Energien rückt durch die bisherige enorme Abhängigkeit von russischen fossilen Energieträgern noch stärker in den Fokus. Deshalb müssen bürokratische Hürden und weiter bestehende Hemmnisse endlich beseitigt werden und der Ausbauturbo für erneuerbare Energien gezündet werden, damit eine resiliente Energieversorgung aus Erneuerbaren sichergestellt werden kann.
In diesem Antrag fokussieren wir uns auf den Beitrag, den der Energiesektor leisten muss, um das Ziel der Klimaneutralität zu erreichen und welche Maßnahmen kurz- bis langfristig ergriffen werden müssen, um die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern aus Russland zu beenden und den Verwerfungen auf den Energiemärkten stand zu halten.
Aus Fehlern lernen: Russlands “Energiekrieg” gegen Europa muss in einer Energiesouveränität münden!
Deutschland ist in seiner Energieversorgung erheblich von den fossilen Energieträgern Kohle (20%), Öl (35%) und Gas (23%) abhängig. Die Abhängigkeit besteht dabei nicht nur in der Tatsache der Verwendung der klimaschädlichen Rohstoffe, sondern auch in ihrem Ursprung, da Deutschland u.a. aufgrund des Ressourcenmangels Energieimportland ist und bei der Primärenergiegewinnung stark von Energieimporten abhängig ist. So beträgt die Importquote im aktuellen fossil-atomaren Energiesystem zwischen 94% beim Erdgas, über 98% beim Erdöl, bis 100% bei Steinkohle und Uran. Das muss, insbesondere bei einer großen Diversifikation der Herkunftsländer, von welchen die Energie bezogen wird, nicht zwangsläufig problematisch sein. Es ist jedoch ein Problem, wenn man sich energiepolitisch über Jahre hinweg nicht nur in der Beschaffung, sondern auch bei der Infrastruktur abhängig von einem autokratischen System macht. Es ist jedoch ein Problem, wenn man sich energiepolitisch durch den (richtigerweise) beschlossenen Atom- und Kohleausstieg von dem Energieträger Gas abhängig macht, welcher im Jahr 2021 zu 55% aus Russland kommt. Weiterhin kamen zusätzlich rund 50% der importierten Steinkohle sowie ca. 35% des Erdöls aus Russland.
Die Kohle- und Ölimporte aus Russland lassen sich vergleichsweise simpel, wenn auch bei knapper Verfügbarkeit, auf dem Weltmarkt ersetzen. Auch deshalb beschloss die Europäische Union im Rahmen ihrer umfassenden Sanktionspakete ein vollständiges Kohle- und überwiegendes Öl-Embargo. Aufgrund des überwiegend leitungsgebundenen Transports und des Fehlens von entsprechenden Terminals ist die Substitution von Erdgas jedoch schwieriger. Durch den russischen Lieferstopp ist die deutsche und europäische Gasversorgung angespannt. Um Gasmangellagen zu verhindern, welche je nach Ausmaß fatale volkswirtschaftliche Schäden verursachen könnte, muss auf der einen Seite womöglich das Gas durch andere Energieträger substituiert und auf der anderen Seite der Erdgasverbrauch gesenkt werden. Erdgas wird zu 50% in der Wärmeversorgung (Heizen), zu 35% in der Industrie und zu 15% zur Stromerzeugung genutzt. Da das Gas in der Wärmeversorgung und in industriellen Prozessen kaum kurzfristig substituierbar ist, muss es das Ziel sein, Gas in der Verstromung zu ersetzen. Das könnte in der aktuellen Situation grundsätzlich mit einer verstärkten Kohleverstromung oder perspektivisch auch mit einer Verlängerung der drei Kernkraftwerke Emsland, Neckarwestheim 2 und Isar 2 geschehen. Zur Sicherstellung der Versorgungssicherheit ist es richtig, dass in einem klar definierten, befristeten Rahmen verstärkt Kohlekraftwerke (auch aus der Reserve) eingesetzt werden. Dennoch dürfen trotz der Ausnahmesituation sowohl Klimaziele als auch Ausbauziele der erneuerbaren Energien oder der angestrebte Weg des Kohleausstiegs nicht gefährdet oder gar zur Disposition gestellt werden. Zusätzlich lehnen wir sowohl den Streckbetrieb als auch eine reguläre Laufzeitverlängerung der drei letzten deutschen Reaktoren ab. Der mühsam errungene deutsche Atomkonsens ist für uns nicht verhandelbar!
Better safe than sorry: Der Atomausstieg ist auch in der Krise nicht verhandelbar!
Die letzten drei Atommeiler sind wegen ihrer über dreißigjährigen Betriebsdauer ein unberechenbares Risiko. Seit dem Ausstiegsbeschluss aus dem Jahr 2011 wurde den Betreibern mit Hinblick auf die klar definierte Restlaufzeit zugestanden, auf Nachrüstungen und Reparaturen zu verzichten. Darüber hinaus wurde auch auf die im Normalfall jede zehn Jahre anfallende periodische Sicherheitsprüfung der Kernkraftwerke verzichtet, welche mittlerweile seit über drei Jahren überfällig ist. Ein “schnelles Nachholen” dieser Sicherheitsprüfung ist wegen des zum Teil mehrjährigen Umfangs nicht möglich, weshalb eine Laufzeitverlängerung allein aus Sicherheitsabwägungen nicht tragbar ist. Darüber hinaus ist die Atomkraft zusätzlich zu den erheblichen Sicherheitsbedenken keine krisenfeste Zukunftstechnologie. Nicht nur bei Klimakatastrophen, sondern auch bei anhaltenden klimatischen Veränderungen wie Hitze und daraus resultierenden überheizten Flüssen mit niedrigen Pegelständen, liefern Atomkraftwerke nicht zuverlässig Energie. Infolgedessen mussten beispielsweise einige französische Atommeiler vom Netz genommen werden und verbrauchen Strom, anstatt ihn zu produzieren. Darüber hinaus können die drei letzten deutschen Kernkraftwerke die Energiekrise nicht lösen. Ein sog. Streckbetrieb bei reduzierter Leistung bis zum Sommer bringt in der aktuellen Situation je nach Ausgestaltung wenig bis nichts, außer ein höheres Sicherheitsrisiko, da unterm Strich keine Kilowattstunde Strom mehr erzeugt wird – ein Nullsummenspiel. Der Streckbetrieb könnte das Einfallstor für eine weitere mehrjährige Laufzeitverlängerung sein, wofür neue Brennelemente beschafft werden müssten. Den Reservebetrieb lehnen wir unter den gleichen Gesichtspunkten wie den Streckbetrieb und den zusätzlichen Problemen wie der signifikant hohen Kosten der Bereitstellung sowie den technischen Schwierigkeiten des Ab- und Einschaltens ausdrücklich ab. Da in der EU kein Uran abgebaut wird, müsste es als Energieträger ebenfalls importiert werden. Hierbei kommen 20% des Natururans und zusätzlich 26% des bereits angereicherten Urans ebenfalls aus Russland sowie weitere 20% des Natururans aus Kasachstan. Folglich kann hier ebenfalls nur schwer eine Energieunabhängigkeit erreicht werden. Weitere Uranminen wie in Niger, Kanada und Australien befinden sich teilweise in Gebieten, die von indigenen Völkern bewohnt werden. Mit dem weiteren Uranabbau wird die Lebensgrundlage der indigenen Völker zunehmend zerstört. Darüber hinaus muss für eine erneute Beschaffung von Brennelementen mit einer Lieferzeit von mindestens zwölf bis fünfzehn Monaten gerechnet werden. Die zweifelhafte Maßnahme würde somit die akute Krise sogar zeitlich verfehlen. Egal, ob Streckbetrieb oder mehrjährige Laufzeitverlängerung, die Atomkraft ist eine Hochrisikotechnik mit zunehmendem Sicherheitsrisiko, die weder die Energiekrise löst noch ökonomisch sinnvoll ist. Es ist verantwortungslos über eine hochkomplexe Risikotechnologie so salopp zu diskutieren, ohne dass eine annähernd “sichere” Atommüllendlagerung gewährleistet wird, welche im Übrigen durch den Bundeshaushalt finanziert wird. Für uns steht fest: Kein Ausstieg vom Ausstieg!
Die Zukunft gehört den Erneuerbaren: Kein Fracking zulassen und Infrastruktur nachhaltig denken!
In der Ersatzbeschaffung von Erdgas muss dringend darauf geachtet werden, dass man sich nicht erneut in so eine enorme Abhängigkeit eines weiteren Staates begibt. Ausgeweitete Kooperationen mit autokratischen Regimen müssen nach Möglichkeit vermieden werden. Stattdessen muss in der Beschaffung ebenfalls mit kurzfristigem Blick durch den Aufbau der (Floating-)LNG-Infrastruktur Flüssiggas in deutschen Häfen in das Pipeline-Netz und in Speicher eingespeist werden. Ähnlich wie bei der Verwendung von Kohle ist die Nutzung von Flüssiggas wegen der negativen Auswirkung von Klima und Umwelt in der Gewinnung und Verwendung nur in der aktuellen Ausnahmesituation hinnehmbar. Deshalb ist es wichtig, dass die Infrastruktur technologisch bereit ist für den Import von (grünem) Wasserstoff und eine passgenaue und tragfähige Wasserstoffinfrastruktur errichtet wird. Zusätzlich steht für uns das Verbot von kommerziellen Fracking-Vorhaben nicht zur Debatte. Eine zukunftsfähige sozial-ökologische Transformation des Energiesektors baut auf erneuerbaren Technologien auf. Das fossil-atomare Energiesystem muss endlich überwunden werden!
Neben der Erdgas-Substitution ist weiterhin die Verbrauchsreduktion zur Verhinderung eines Gasmangels notwendig. Expert*innen gehen davon aus, dass sich der Verbrauch um 20-25 Prozent vermindern muss, damit Mangellagen verhindert werden können – im Jahr 2022 wurden fast 18% eingespart. Auf europäischer Ebene sind die Mitgliedsländer (mit einigen Ausnahmen) zusätzlich dazu aufgerufen, den Gasverbrauch um 15% zwischen August 2022 und März 2023 zu reduzieren. Entsprechend sind neben den Einsparungen in der Verstromung auch Verbrauchsreduktionen in der Wärmeversorgung und der Industrie notwendig. Durch die zeitweise enorm gestiegenen Preise, welche überwiegend durch Erhöhungen der Abschlagszahlungen weitergegeben wurden, achten Konsument*innen genau auf ihren Verbrauch und versuchen ihn weitmöglichst zurückzufahren.
Industriestrompreis als Brücke nutzen, aber nur mit Transformationsauflagen
Die hohen Strom- und Energiepreise belasten ebenfalls die Industrieunternehmen, welche ebenfalls versuchen, den Verbrauch zu optimieren, um weiterhin eine wirtschaftliche Produktion aufrechterhalten zu können. Deshalb lehnen wir gesonderte staatliche Anreize zur industriellen Gaseinsparung (wie z.B. via Auktionen) für Konzerne ab, da Gaseinsparungen aufgrund der hohen Energiekosten im Eigeninteresse der Unternehmen liegen und keine gesonderten Subventionen erforderlich macht. Dennoch ist die deutsche Wirtschaft mit hohen Strom- und Energiepreisen konfrontiert, welche insbesondere im Vergleich zu den Preisen in Nordamerika und Asien hoch sind. Da für Deutschland als einziges sog. Industrieland für 2023 eine Rezession prognostiziert wird, erkennen wir zur Aufrechterhaltung der Wettbewerbsfähigkeit ein befristeten Industriestrompreis als Brücke bis zu generell niedrigeren Strompreisen durch einen höheren Anteil von erneuerbaren Energien am Strommix an. Die Geltendmachung des Industriestrompreises durch Unternehmen muss jedoch mit Transformationsauflagen, wie der eigene Ausbau von erneuerbaren Energien, Effizienzsteigerungen, der Ersatz von fossilen Energieträgern oder der Abschluss von erneuerbaren Stromabsatzverträgen (PPAs), verknüpft werden.
Entlastung statt Belastung: Energiepreisdeckel statt unsozialer Gasumlage
Die historische Energiekrise bringt ebenfalls historische Strom- und Energiepreise in Europa hervor, welche nicht nur die Verbraucher*innen und gewerbliche Abnehmer*innen unter Druck setzt, sondern die gesamte Wertschöpfungskette der Energieversorgung vom Energieimporteur bis zum kommunalen Stadtwerk. Das liegt im Kern daran, dass teure Ersatzbeschaffungen zum Spot-Preis getätigt werden müssen, da die vereinbarten Gaslieferungen von russischer Seite nicht eingehalten werden. Das oberste Ziel muss weiterhin sein, dass die Energieversorgung kurz- und mittelfristig aufrechterhalten werden kann. Da Energieimporteure in der Kette meist viele Stadtwerke versorgen, ist es sinnvoll, das Energieversorgungssystem möglichst früh zu stützen. Die Gas-Umlage von Bundeswirtschaftminister Habeck unter dem neoliberalen Mantra “Gewinne privatisieren und Verluste sozialisieren” ist in aller Konsequenz als unsoziale Maßnahme abzulehnen, denn es nicht die Aufgabe von Verbraucher*innen in die Krise gekommene Unternehmen zu retten, sondern die des Staates. Somit sind gesellschaftsrechtliche Beteiligungen des Staates zur Stützung von Energieunternehmen und der gesamten Energieversorgung eindeutig zu bevorzugen. Anstatt die Konsument*innen angesichts der hohen Gaspreise und den Preiserhöhungen mit einer zusätzlichen Umlage zu belasten, müssen Verbraucher*innen vor den hohen Preisen geschützt werden. Die Strom- und Energieversorgung ist kein Luxusgut, sondern als fester Bestandteil der Daseinsvorsorge ein Grundbedürfnis.
Adäquate Maßnahmen sind hierfür die beschlossenen Energiepreisbremsen für Strom, Gas und Wärme, welche zum Verbraucherschutz zur Sicherheit vorsorglich bis Ende 2024 verlängert werden sollten. So oder so muss jedoch im Rahmen eines Zahlungsmoratoriums sichergestellt werden, dass privaten Haushalten weder gekündigt noch die Versorgung versagt werden darf. Ergänzend zu den Maßnahmen für die Verbraucher*innen und am Anfang der Wertschöpfungskette bei den Energieimporteuren, müssen auch die kommunalen Stadtwerke geschützt werden, denn je nach vorheriger strategischer Ausrichtung sind auch die kommunalen Stadtwerke unter Druck und schreiben rote Zahlen. Da die Stadtwerke häufig kommunale Anteilseigner haben oder gar als Eigenbetrieb einer Kommune fungieren, belasten diese roten Zahlen zwangsläufig auch die dahinterstehenden Kommunen und die kommunalen Haushalte. Infolgedessen braucht es Hilfen für die kommunalen Stadtwerke in Form von Krediten und Bürgschaften sowie ein Insolvenzmoratorium – ein Schutzschirm für Stadtwerke, wofür die finanziellen Mittel auf Bundesebene bereitgestellt werden müssen. Im Grundsatz steht für uns fest, dass die Energieversorgung und die entsprechende Infrastruktur wie beispielsweise Stromnetze und Gasnetze samt Speicher als Teil der Daseinsvorsorge vollständig in staatliche Hand gehören.
Lösen wir endlich die Fesseln! Turbo für Erneuerbare und ein klimaneutrales Stromsystem!
Absolute Priorität hat fortan die Schaffung eines resilienten und flexiblen klimaneutralen Strom- und Energiesystem. Durch die Sektorenkopplung, also die zunehmende direkte und indirekte Elektrifizierung von industriellen Prozessen, der Mobilität und der Wärmeversorgung, wird der Strombedarf in den nächsten Jahren erheblich (auf bis zu 750 TWh) steigen. Folglich müssen nun kurzfristig die richtigen Maßnahmen eingeleitet werden, um den sich erhöhenden Strombedarf mit regenerativer Energie abzudecken – es braucht endlich den Turbo für den Ausbau der erneuerbaren Energien, der Netze sowie Energiespeicher. Die sog. Fortschrittskoalition muss alle verbliebenen bürokratischen Hürden und Hemmnisse, welche die Union in ihrer sechzehnjährigen Regierung etabliert hat, beseitigen. Die regulatorischen Fesseln der Wind- und Solarenergie müssen endlich beseitigt werden, damit wir unabhängig von fossiler und unabhängig von russischer Energie werden und damit wir die Sekorenziele der Energiewirtschaft und die Klimaziele insgesamt erreichen können.
Mehr Wind of change zwischen den Rotorblättern: Schluss mit pauschalen Abstandsregelungen und her mit vereinfachten und schnelleren Planungs- und Genehmigungsverfahren
Die Windenergie an Land in Deutschland ist ein wichtiger Pfeiler in der Stromerzeugung. Mittlerweile produzieren die rund 28.400 Onshore-Windenergieanlagen mit einer installierten Leistung von über 58 GW über 123 TWh Strom, was ungefähr ein Viertel am deutschen Strommix ausmacht. Trotz des hohen Erfordernisses zur Erreichung der Klima- und Ausbauziele, stockt der Ausbau der Windenergie massiv. Während in den guten Windausbaujahren bis 2017 nahezu bis zu 1.800 Windenergieanlagen jährlich errichten worden sind, wurden 2022 etwa 550 Anlagen in Betrieb genommen und auch die Genehmigungen für Windenergieanlagen an Land waren stark rückläufig. Die Ausbaudelle ist vor allem auf die politischen Fehlentscheidungen der Union geführten Bundesregierung zurückzuführen, welche den Ausbau durch Maßnahmen wie die 2017 eingeführte Ausschreibungspflicht ausgebremst hat. Darüber hinaus verhindern auf Landesebene pauschale und überzogene Abstandsregelungen zur Wohnbebauung den Ausbau der Windenergie weiter und reduzieren in Kombination mit einer restriktiven Regionalplanung sowie einer pauschalen Priorisierung anderer Belange (z.B. Radare) die Flächenkulisse. Ein weiteres Problem ist, dass nach wie vor die komplexen Genehmigungsverfahren auch wegen Personalmangel in den Behörden durchschnittlich vier bis fünf Jahre dauern. Zusätzlich existiert auch wegen der mäßigen lokalen Akzeptanz eine hohe Klagebereitschaft gegen den Bau von Windenergieanlagen. Klagegründe stammen hierbei häufig aus dem Bereich des Artenschutzes (Gefährdung geschützter Vogel- bzw. Fledermausarten sowie allgemeine Artenschutzaspekte), aber auch Form- und Verfahrensfehler, Lärmschutz sowie Flächenzugriffe werden als weitere Gründe angeführt. Die von der Ampel-Koalition beschlossene EEG-Novelle sieht zur Erreichung des 80%-Ziels an erneuerbaren Energien bis 2030 deutlich erhöhte Ausbauziele für die Windenergie an Land vor. So sollen im Jahr 2023 insgesamt 12,8 GW und in den Folgejahren jeweils 10 GW ausgeschrieben werden. In Hinblick auf den Zubau der Jahre 2019 bis 2022, welcher jeweils nur zwischen 1,1 und 2,1 GW lag, sind die Ausbauziele im aktuellen regulatorischen Rahmen unrealistisch. Zwar gab es schon Verbesserungen im Rahmen des “Osterpakets” wie die verpflichtende Flächenausweisung für Windenergienutzung bis Ende 2032, die pauschalen Landes-Abstandsregelungen wie in Bayern (10H-Regel) werden jedoch nicht sofort abgeschafft. Auch wurde im Bundesnaturschutzgesetz geregelt, dass der “Betrieb von Windenergieanlagen im überragenden öffentlichen Interesse liegt und der öffentlichen Sicherheit dient“. Dennoch sind die Vorgaben im Natur- und Artenschutz immer noch unklar und offen, sodass Rechtsstreitigkeiten weiterhin die Umsetzung von Projekten erschweren. Zur realistischen Möglichkeit, die Ausbauziele zu erreichen, wollen wir die Hürden für den Windenergieausbau abbauen und fordern die sofortige Abschaffung von Landes-Abstandsregelungen und die verpflichtende Ausweisung von 2% der Landesfläche für den Betrieb von Windenergieanlagen bereits bis spätestens 2027, wobei auch attraktive windhöffige Flächen ausgewiesen werden sollen. Mit der schnellen Verankerung des Ziels in Landes- und Regionalraumordnungsprogrammen können ausreichende Flächen für eine klimaneutrale und versorgungssichere Stromversorgung erreicht werden. Darüber hinaus müssen die pauschalen Priorisierungen anderer Belange endlich durch angemessene Einzelfallabwägungen gekippt werden. Zur Beschleunigung der Planungs- und Genehmigungsprozesse braucht es auf der einen Seite klare und bundesweit einheitliche gesetzliche Prüfkriterien im Naturschutzrecht und auf der anderen Seite genügend personelle Ressourcen in den Genehmigungsbehörden, um ein schnelles und rechtssicheres Verfahren endlich zu ermöglichen. Hierbei müssen die ausreichenden personellen Ressourcen unbedingt durch Weiterbildungsprogramme sichergestellt werden. Wir sind der Auffassung, dass der Genehmigungsprozess keine sechs Jahre oder gar noch länger dauern darf, sondern maximal sechs Monate! Darüber hinaus beträgt die Wartezeit für Schwerlasttransporte der bundeseigenen Autobahn GmbH mit rund 15.000 unbearbeiteten Anträgen bei circa 12 Wochen. Dieser Zustand, den Bundesverkehrsminister Wissing zu verantworten hat, ist unhaltbar und muss dringend angegangen werden, gerade weil die Wartezeit z.B. in Skandinavien nur 4 Tage beträgt. Wegen der mäßigen Akzeptanz von Windenergieanlagen muss diese durch geeignete Maßnahmen gesteigert werden, sodass auch juristische Auseinandersetzungen gegen den Bau von Windparks vermieden werden können. Akzeptanz und Vertrauen können in den Projekten durch eine frühzeitige Bürger*innenbeteiligung erreicht werden. Doch nicht nur durch eine proaktive und vorausschauende Einbindung in ersten Planungsschritten, wo auch noch ein gewisser Mitbestimmungsspielraum besteht, sondern vor allem durch eine verpflichtende finanzielle Beteiligung der jeweiligen Standortkommune, kann ein gutes Commitment in der Bevölkerung erreicht werden, sodass Bürger*innen, Kommunalpolitik und Verwaltung Motivation haben den Ausbau lokal voranzubringen.
Let the sun shine: Solar-Booster durch Solardachpflicht für Neubauten und Wiederaufbau einer europäischen Solarindustrie
Doch nicht nur die Stromerzeugung durch Windenergie, sondern auch durch Solarenergie sind eine tragende Säule in Richtung klimaneutrales Stromsystem. Die aktuell rund 68 GW an installierter Leistung sorgen dafür, dass 2022 über 57 TWh ins Netz eingespeist worden sind und Photovoltaikanlagen mit einem Anteil von fast 12% am deutschen Strommix der zweitgrößte erneuerbare Energieträger sind. Nachdem die deutsche Solarindustrie und der PV-Ausbau durch die schwarz-gelbe Bundesregierung u.a. durch die EEG-Novelle 2012 und der darin enthaltenen Strompreisbremse gegen die Wand gefahren wurde, haben sich die Ausbauzahlen in den vergangenen Jahren wieder erholt. So konnte sich der Ausbau von der Ausbaudelle (z.B. 2014 mit 1,2 GW Zubau) erholen und wird jährlich mehr. Im Jahr 2022 konnten PV-Anlagen mit einer Leistung von 7,3 GW zugebaut werden und für das Jahr 2023 wird vermutlich die 10-GW-Marke geknackt. Auch die neue Bundesregierung erkennt die hohe Bedeutung der Solarenergie an und hat im Rahmen der EEG-Novelle 2023 deutliche Verbesserungen der Rahmenbedingungen zum Ausbau von PV-Anlagen und höhere Ausschreibungsvolumen in Höhe von 9 GW im Jahr 2023 und danach jährlich von 11 GW beschlossen. Angesichts der Verbesserungen durch das “Osterpaket” sind die Ziele durchaus realistisch, da regulatorische Fesseln wie der sog. atmende Deckel gelöst und verbesserte Rahmenbedingungen wie höhere Vergütungssätze bei Voll- und Teileinspeisern, ein einfacherer Netzanschluss und eine erweiterte Flächenkulisse bei PV-Freiflächenanlagen implementiert wurden.
Dennoch gibt es weiteres Potenzial einen Solar-Booster zu entfachen! Auch wenn die Situation beim PV-Ausbau besser ist als beim Ausbau der Windenergie, müssen gute Voraussetzungen dafür geschaffen werden, eine ausreichend hohe Flächenverfügbarkeit zu gewährleisten. Neben einem denkbaren gesetzlichen Flächenziel zur Ausweisung von Flächen für PV-Anlagen ist vor allem die umfassende Erschließung geeigneter Gebäudedächer sinnvoll. Aktuell liegt das PV-Potenzial auf Hausdächern bei fast 90%. Da der erzeugte Strom aus Photovoltaik-Anlagen mit Strom aus Windenergieanlagen an Land am günstigsten ist, ist der Ausbau nicht nur aus Klimaschutz- sondern auch aus wirtschaftlichen Gründen günstig für die Hausbesitzer*innen und Mieter*innen. Der Ausbau von Aufdachanlagen muss durch stabile Anreize, wie die Erhöhung der Einspeisevergütung, und durch eine ergänzende Solardachpflicht für Neubauten und Bestandssanierungen beschleunigt werden. Weitere von der Ampel-Regierung angedachte Verbesserungen, welche im Entschließungsantrag des “Osterpakets” mit beschlossen worden sind, wie Erleichterungen im Anmeldeverfahren und Netzanschlüsse von Balkon-PV-Anlagen, müssen schnellstmöglich geregelt werden. So muss endlich bei den Balkon-PV-Anlagen der Anschluss in Eigenregie ohne Erfordernis der Wieland-Einspeisesteckdose ermöglicht und die Meldepflicht aufgehoben werden. Ebenfalls wurde in der Absichtserklärung beschlossen, dass man Erleichterungen beim Eigenstromverbrauch ermöglichen möchte. Insbesondere Letzteres muss in der aktuellen Energiekrise schnellstmöglich und mit absoluter Priorität umgesetzt werden. Deshalb fordern wir, dass sowohl für Balkon-PV-Anlagen als auch für (kleinere) private PV-Dachanlagen der Stromzähler bis zum flächendeckenden Smart-Meter-Rollout und der Implementierung von dynamischen Stromtarifen rückwärts laufen darf und der überschüssige von der PV-Anlage eingespeiste Strom direkt mit dem aus dem Netz bezogenen Strom verrechnet wird. Dieses Verfahren wird beispielsweise in den Niederlanden erfolgreich umgesetzt und schafft bei den hohen Strompreisen einen zusätzlichen wirtschaftlichen Anreiz für eine private PV-Anlage und lässt die Bürger*innen und nicht die Energiekonzerne profitieren!
Neben den PV-Dachanlagen müssen auch Freiflächenanlagen und PV-Anlagen, welche eine positive Mehrfachnutzung von Flächen ermöglicht, wie Agri-PV, Floating-PV oder Fassaden-PV schnellstmöglich angemessen in den regulativen Vorgaben wie der Raumordnung oder im Baurecht berücksichtigt werden. So ist u.a. die generelle Freigabe für PV-Freiflächenanlagen sog. benachteiligter Gebiete (wie ertragsarme landwirtschaftliche Flächen) weiterhin unter Vorbehalt von Landesverordnungen falsch. Wegen zunehmender Flächenkonkurrenzen müssen neue Technologien, wo bislang nur Pilotanlagen existieren, wie die Agri-PV als Symbiose zwischen Landwirtschaft und Energieerzeugung gefördert werden. Fehlende Vergütungsregelungen (außerhalb von Innovationsausschreibungen), die Gefahr des Wegfalls der Agrarförderung, die fehlende baurechtliche Privilegierung und genehmigungsrechtliche Unsicherheiten in den Behörden erschweren ein Wachstum in diesem Segment. Wir fordern deshalb, dass umgehend ein unterstützendes regulatorisches Umfeld für PV-Technologien, welches effektiv Flächen mehrfach nutzbar macht, geschaffen wird. Das angekündigte zweiteilige Solarpaket der Bundesregierung mit diversen Verbesserungen und insb. dem Bürokratieabbau unterstützen wir ausdrücklich.
Beim Ausbau der Solarenergie muss zusätzlich die Angebotsseite der PV-Module und die Gewinnung der dafür notwendigen Rohstoffe thematisiert werden. Denn entlang der gesamten Wertschöpfungskette zur Herstellung von Solarmodulen gibt es eine enorme Abhängigkeit von China. Sowohl in der Gewinnung von Polysilizium als elementarer Rohstoff (80%) über die Herstellung der Wafer (97%) und Zellen (85%) als auch die letztendliche Fertigung der Module (75%), die Abhängigkeit ist enorm. Zur Stärkung einer resilienten Energieversorgung muss in einer europäischen Kooperation der massive Ausbau einer europäischen Produktionskapazität vorangetrieben werden, denn die aktuelle Situation zeigt, was es für fatale Folgen haben kann, wenn man sich energiepolitisch dermaßen Abhängig von einem anderen Land macht. Ein Tausch der Abhängigkeiten vom russischen Gas zu chinesischen Solarmodulen muss perspektivisch verhindert werden! Die PV-Strategie der EU-Kommission “European Solar Initiative”, welche zum Ziel hat, bis zum Jahr 2025 insgesamt 20 GW Produktionskapazität in Europa zu erreichen, ist ausdrücklich zu unterstützen und zu erweitern. Mit den neuen europäischen Produktionskapazitäten würden direkt und indirekt schätzungsweise 400.000 neue, gut bezahlte Industriearbeitsplätze entstehen – bei Umsetzung ein Leuchtturm der sozial-ökologischen Transformation. Ähnlich wie bei der Windenergie sollen Standortkommunen von PV-Freiflächenanlagen finanziell beteiligt werden. Darüber hinaus sollten Bürgerenergiekonzepte, welche häufig PV-Anlagen installieren, gemäß der entsprechenden EU-Richtlinie gestärkt werden, sodass beispielsweise der gemeinschaftliche Eigenverbrauch des lokal erzeugten Stroms ermöglicht wird.
Speicher, Netzausbau und intelligente Steuerung gewährleisten Versorgungssicherheit und Netzstabilität im klimaneutralen Energiesystem
Um die enorme Hochskalierung von erneuerbaren Energien händeln zu können, muss unser Energiesystem sukzessive auf erneuerbare Energien ausgerichtet werden. Ein resilientes klimaneutrales Stromsystem mit den in der Stromerzeugung fluktuierenden Windenergie- und Photovoltaikanlagen, welches die Versorgungssicherheit und Netzstabilität gewährleistet, kann nur in Kombination mit einer Flexibilisierung des Verbrauchs und mit Energiespeichern gelingen. Hierzu ist perspektivisch ein neuer ganzheitlicher regulativer Rahmen für den Strommarkt wichtig. Der Gesetzgeber muss langfristig Anreize setzen, dass erneuerbare Energien systemdienlich errichtet und mit einer angemessenen Vergütung betrieben werden können. Insbesondere wenn auf lange Sicht in einem klimaneutralen Stromsystem Erneuerbare alleinig für die Stromerzeugung verantwortlich sind und durch die niedrigen Stromgestehungskosten der Strompreis gesenkt ist, muss das Strommarktdesign und Strommarktmodell angepasst werden. Die Initiative der Plattform klimaneutrales Stromsystem begrüßen wir. Kurz- bis mittelfristig benötigt es die Integration von Speicherkapazitäten, den beschleunigten Netzausbau und eine intelligente Steuerung des Energiesystems durch informations- und kommunikationstechnische Infrastruktur. Speicherkapazitäten müssen zum einen im Kurzzeitbereich durch batterieelektrische Speicher und zum anderen im Langzeitbereich durch beispielsweise Wasserstoff oder synthetische Gase wie Methan (saisonale Speicher) integriert werden. Im Bereich der Batteriespeicher muss der notwendige Ausbau auf 84 Gigawattstunden bis 2030 (227 GWh in 2045) überwiegend dezentral vorgenommen werden, um Netzengpässe zu vermeiden und die Netzstabilität zu gewährleisten. Der Ausbau der Batteriespeicher darf sich jedoch in keinem Fall nur auf Anlagen in privaten Haushalten beschränken, sondern sollte ebenso wie die Netze von staatlicher Seite zur Verfügung gestellt werden. Der überregionale Stromtransport aus Regionen mit großer Wind- und Solarstromerzeugung zu industriellen oder bevölkerungsreichen Zentren muss gewährleistet werden. Ebenso gilt es die Verteilnetze auszubauen, um die stark steigende Menge an dezentral erzeugtem Strom aufnehmen zu können. Diesen Anforderungen muss mit einem angemessenen Netzausbau begegnet werden. Auch der Ausbau und Betrieb der Stromnetze sollte als zentrale Infrastruktur der Energieversorgung auf Ebene der Verteilnetze rekommunalisiert und auf Ebene der Übertragungsnetze in staatliche Hand.
Der Klimawandel wartet nicht!
Der Ausbau erneuerbarer Energien muss endlich an Fahrt gewinnen, denn der Anteil am Bruttoendenergieverbrauch beträgt aktuell nur rund 17%. Durch die EEG-Novelle im Rahmen des Osterpakets, wo endlich ein höherer und realistischer Strombedarf angenommen wird, konnte ein Ausbauimpuls gegeben werden. Wichtig waren dafür die Erhöhung des Ausbauziels und der Ausbaupfade sowie regulatorische Verbesserungen. Dennoch wird insbesondere der Ausbau der Windenergie stocken. Sollte sich anhand der Genehmigungszahlen der Länder nach wie vor abzeichnen, dass die Ausbauziele massiv unterschritten werden, dann kann das nicht mehr hingenommen werden. In diesem Fall muss die Bundesregierung noch in dieser Legislaturperiode ein öffentlich-rechtliches Unternehmen zum Ausbau erneuerbarer Energien gründen, welches bei Unterschreitung von Ausschreibungsvolumen verpflichtet ist, die Lücke im Zubau zu füllen. Damit wird gewährleistet, dass Klima- und Ausbauziele nicht weiterhin sehenden Auges verfehlt werden. Zusätzlich wird der Staat seiner Rolle gerecht, die Daseinsvorsorge zu gewährleisten. Der Klimawandel wartet nicht. Deshalb lautet die Devise: mehr, schneller Ausbauen!
Adressat:
Bundesparteitag
SPD-Bundestagsfraktion
Änderungsanträge
Status | Kürzel | Zeile | AntragstellerInnen | Text | |
---|---|---|---|---|---|
Annahme | U-01- | Jusos Bezirk Hannover | Ergänze in Zeile 295: "Auch Tarifbindung und Standort- sowie Beschäftigungsgarantien müssen Bedingungen für die Geltendmachung und Industriestrompreises sein." |
Die Zeit wird knapp, um das beschlossene 1,5-Grad-Ziel aus dem Übereinkommen von Paris der UN-Klimakonferenz aus dem Jahr 2015 noch einzuhalten. Klimaforscher*innen mahnen nunmehr seit Jahren die verheerenden Folgen des Klimawandels und der damit einhergehenden Erderwärmung an. Um zum Beispiel den bedrohlichen Meeresspiegelanstieg durch die Eisschmelze oder vermehrte Extremwetterereignisse wie heftige Regenfälle sowie Dürren und Waldbrände zu minimieren, muss jenes 1,5-Grad-Ziel erreicht werden. Die in der letzten Zeit eingetretenen Extremwetterereignisse wie die Flutkatastrophe im Ahrtal, die Dürre und Waldbrände in Europa oder die Überschwemmungen in Pakistan zeigen die realen Auswirkungen des Klimawandels. Und dennoch werden beschlossene Klimaziele in einzelnen Sektoren Jahr für Jahr nicht eingehalten. Ebenso wird der Kurs zum Erreichen der Klimaneutralität nur unzureichend nachgebessert, sodass das Ziel, im Jahre 2045 klimaneutral zu sein, immer unwahrscheinlicher wird.
Bei der notwendigen globalen Perspektive geht der Weltklimarat (IPCC) in einem Klimabericht mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent davon aus, dass die kritische Marke der Erderwärmung von 1,5 Grad bereits im Jahr 2026 überschritten wird. Nach Berechnungen des IPCC ist theoretisch eine Erderwärmung bis zum Ende des Jahrhunderts von 1,4 bis 4,4 Grad Celsius möglich. Für wahrscheinlich halten die Wissenschaftler*innen eine Erhitzung mit dramatischen Auswirkungen von 3,2 Grad bis zum Jahr 2100, da die Treibhausgasemissionen zwar langsamer, aber immer noch zu- statt abnehmen.
Um das 1,5-Grad-Ziel doch noch zu erreichen, müssen wir die Emissionen schnellstmöglich auf eine Netto-Null senken. Dabei steht der globale Norden, der durch sein emissionsintensives System vornehmlich zum anthropogenen Klimawandel beiträgt, in besonderer Handlungsverantwortung. Die Klimaneutralität wollen wir hierzu bis zum Jahr 2040 mit einem strikten 1,5-Grad-Pfad erreichen. Ein wichtiger Bereich zur Dekarbonisierung im Rahmen der sozial-ökologischen Transformation ist dabei der Energiesektor, der global und auch in Deutschland für jeweils über ein Drittel der verursachten Gesamtemissionen verantwortlich ist. Der Energiesektor und -markt steht aktuell doch nicht nur im Rahmen der Dekarbonisierung im Fokus, sondern in besonderer Hinsicht auch wegen der hohen Abhängigkeit von fossilen Energieträgern seit dem 24. Februar 2022, dem Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine.
Deutschland ist sowohl in der Strom- als auch in der Energieversorgung nach wie vor stark abhängig von atomar-fossilen Energien und insbesondere von fossilen Energieträgern. Im Jahr 2022 wurde Strom nämlich fast 45% aus fossilen Energieträgern und über 6% aus Kernenergie erzeugt. Der Anteil von erneuerbaren Energien betrug entsprechend nur rund 49%. Eine noch größere Abhängigkeit von den fossilen Energieträgern Kohle, Gas und Öl zeigt sich im gesamten Energiemix mit einem Anteil in Höhe von über 78%. Erneuerbare Energien decken am Energieverbrauch nur einen kleinen Anteil von rund 17%. Der Weg zu einem klimaneutralen Stromsystem und zu einer klimaneutralen Energieversorgung in weiteren Sektoren wie der Industrie oder im Gebäude- und Verkehrssektor ist somit noch weit. Trotz des beschlossenen Klimaziels und dem angehobenen 80%-Ziel erneuerbarer Energien bei der Stromversorgung bis zum Jahr 2030, stockt der Ausbau regenerativer Energien in den letzten Jahren erheblich, vor allem der Ausbau von Windenergieanlagen. Der Ausbau von erneuerbaren Energien rückt durch die bisherige enorme Abhängigkeit von russischen fossilen Energieträgern noch stärker in den Fokus. Deshalb müssen bürokratische Hürden und weiter bestehende Hemmnisse endlich beseitigt werden und der Ausbauturbo für erneuerbare Energien gezündet werden, damit eine resiliente Energieversorgung aus Erneuerbaren sichergestellt werden kann.
In diesem Antrag fokussieren wir uns auf den Beitrag, den der Energiesektor leisten muss, um das Ziel der Klimaneutralität zu erreichen und welche Maßnahmen kurz- bis langfristig ergriffen werden müssen, um die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern aus Russland zu beenden und den Verwerfungen auf den Energiemärkten stand zu halten.
Aus Fehlern lernen: Russlands “Energiekrieg” gegen Europa muss in einer Energiesouveränität münden!
Deutschland ist in seiner Energieversorgung erheblich von den fossilen Energieträgern Kohle (20%), Öl (35%) und Gas (23%) abhängig. Die Abhängigkeit besteht dabei nicht nur in der Tatsache der Verwendung der klimaschädlichen Rohstoffe, sondern auch in ihrem Ursprung, da Deutschland u.a. aufgrund des Ressourcenmangels Energieimportland ist und bei der Primärenergiegewinnung stark von Energieimporten abhängig ist. So beträgt die Importquote im aktuellen fossil-atomaren Energiesystem zwischen 94% beim Erdgas, über 98% beim Erdöl, bis 100% bei Steinkohle und Uran. Das muss, insbesondere bei einer großen Diversifikation der Herkunftsländer, von welchen die Energie bezogen wird, nicht zwangsläufig problematisch sein. Es ist jedoch ein Problem, wenn man sich energiepolitisch über Jahre hinweg nicht nur in der Beschaffung, sondern auch bei der Infrastruktur abhängig von einem autokratischen System macht. Es ist jedoch ein Problem, wenn man sich energiepolitisch durch den (richtigerweise) beschlossenen Atom- und Kohleausstieg von dem Energieträger Gas abhängig macht, welcher im Jahr 2021 zu 55% aus Russland kommt. Weiterhin kamen zusätzlich rund 50% der importierten Steinkohle sowie ca. 35% des Erdöls aus Russland.
Die Kohle- und Ölimporte aus Russland lassen sich vergleichsweise simpel, wenn auch bei knapper Verfügbarkeit, auf dem Weltmarkt ersetzen. Auch deshalb beschloss die Europäische Union im Rahmen ihrer umfassenden Sanktionspakete ein vollständiges Kohle- und überwiegendes Öl-Embargo. Aufgrund des überwiegend leitungsgebundenen Transports und des Fehlens von entsprechenden Terminals ist die Substitution von Erdgas jedoch schwieriger. Durch den russischen Lieferstopp ist die deutsche und europäische Gasversorgung angespannt. Um Gasmangellagen zu verhindern, welche je nach Ausmaß fatale volkswirtschaftliche Schäden verursachen könnte, muss auf der einen Seite womöglich das Gas durch andere Energieträger substituiert und auf der anderen Seite der Erdgasverbrauch gesenkt werden. Erdgas wird zu 50% in der Wärmeversorgung (Heizen), zu 35% in der Industrie und zu 15% zur Stromerzeugung genutzt. Da das Gas in der Wärmeversorgung und in industriellen Prozessen kaum kurzfristig substituierbar ist, muss es das Ziel sein, Gas in der Verstromung zu ersetzen. Das könnte in der aktuellen Situation grundsätzlich mit einer verstärkten Kohleverstromung oder perspektivisch auch mit einer Verlängerung der drei Kernkraftwerke Emsland, Neckarwestheim 2 und Isar 2 geschehen. Zur Sicherstellung der Versorgungssicherheit ist es richtig, dass in einem klar definierten, befristeten Rahmen verstärkt Kohlekraftwerke (auch aus der Reserve) eingesetzt werden. Dennoch dürfen trotz der Ausnahmesituation sowohl Klimaziele als auch Ausbauziele der erneuerbaren Energien oder der angestrebte Weg des Kohleausstiegs nicht gefährdet oder gar zur Disposition gestellt werden. Zusätzlich lehnen wir sowohl den Streckbetrieb als auch eine reguläre Laufzeitverlängerung der drei letzten deutschen Reaktoren ab. Der mühsam errungene deutsche Atomkonsens ist für uns nicht verhandelbar!
Better safe than sorry: Der Atomausstieg ist auch in der Krise nicht verhandelbar!
Die letzten drei Atommeiler sind wegen ihrer über dreißigjährigen Betriebsdauer ein unberechenbares Risiko. Seit dem Ausstiegsbeschluss aus dem Jahr 2011 wurde den Betreibern mit Hinblick auf die klar definierte Restlaufzeit zugestanden, auf Nachrüstungen und Reparaturen zu verzichten. Darüber hinaus wurde auch auf die im Normalfall jede zehn Jahre anfallende periodische Sicherheitsprüfung der Kernkraftwerke verzichtet, welche mittlerweile seit über drei Jahren überfällig ist. Ein “schnelles Nachholen” dieser Sicherheitsprüfung ist wegen des zum Teil mehrjährigen Umfangs nicht möglich, weshalb eine Laufzeitverlängerung allein aus Sicherheitsabwägungen nicht tragbar ist. Darüber hinaus ist die Atomkraft zusätzlich zu den erheblichen Sicherheitsbedenken keine krisenfeste Zukunftstechnologie. Nicht nur bei Klimakatastrophen, sondern auch bei anhaltenden klimatischen Veränderungen wie Hitze und daraus resultierenden überheizten Flüssen mit niedrigen Pegelständen, liefern Atomkraftwerke nicht zuverlässig Energie. Infolgedessen mussten beispielsweise einige französische Atommeiler vom Netz genommen werden und verbrauchen Strom, anstatt ihn zu produzieren. Darüber hinaus können die drei letzten deutschen Kernkraftwerke die Energiekrise nicht lösen. Ein sog. Streckbetrieb bei reduzierter Leistung bis zum Sommer bringt in der aktuellen Situation je nach Ausgestaltung wenig bis nichts, außer ein höheres Sicherheitsrisiko, da unterm Strich keine Kilowattstunde Strom mehr erzeugt wird – ein Nullsummenspiel. Der Streckbetrieb könnte das Einfallstor für eine weitere mehrjährige Laufzeitverlängerung sein, wofür neue Brennelemente beschafft werden müssten. Den Reservebetrieb lehnen wir unter den gleichen Gesichtspunkten wie den Streckbetrieb und den zusätzlichen Problemen wie der signifikant hohen Kosten der Bereitstellung sowie den technischen Schwierigkeiten des Ab- und Einschaltens ausdrücklich ab. Da in der EU kein Uran abgebaut wird, müsste es als Energieträger ebenfalls importiert werden. Hierbei kommen 20% des Natururans und zusätzlich 26% des bereits angereicherten Urans ebenfalls aus Russland sowie weitere 20% des Natururans aus Kasachstan. Folglich kann hier ebenfalls nur schwer eine Energieunabhängigkeit erreicht werden. Weitere Uranminen wie in Niger, Kanada und Australien befinden sich teilweise in Gebieten, die von indigenen Völkern bewohnt werden. Mit dem weiteren Uranabbau wird die Lebensgrundlage der indigenen Völker zunehmend zerstört. Darüber hinaus muss für eine erneute Beschaffung von Brennelementen mit einer Lieferzeit von mindestens zwölf bis fünfzehn Monaten gerechnet werden. Die zweifelhafte Maßnahme würde somit die akute Krise sogar zeitlich verfehlen. Egal, ob Streckbetrieb oder mehrjährige Laufzeitverlängerung, die Atomkraft ist eine Hochrisikotechnik mit zunehmendem Sicherheitsrisiko, die weder die Energiekrise löst noch ökonomisch sinnvoll ist. Es ist verantwortungslos über eine hochkomplexe Risikotechnologie so salopp zu diskutieren, ohne dass eine annähernd “sichere” Atommüllendlagerung gewährleistet wird, welche im Übrigen durch den Bundeshaushalt finanziert wird. Für uns steht fest: Kein Ausstieg vom Ausstieg!
Die Zukunft gehört den Erneuerbaren: Kein Fracking zulassen und Infrastruktur nachhaltig denken!
In der Ersatzbeschaffung von Erdgas muss dringend darauf geachtet werden, dass man sich nicht erneut in so eine enorme Abhängigkeit eines weiteren Staates begibt. Ausgeweitete Kooperationen mit autokratischen Regimen müssen nach Möglichkeit vermieden werden. Stattdessen muss in der Beschaffung ebenfalls mit kurzfristigem Blick durch den Aufbau der (Floating-)LNG-Infrastruktur Flüssiggas in deutschen Häfen in das Pipeline-Netz und in Speicher eingespeist werden. Ähnlich wie bei der Verwendung von Kohle ist die Nutzung von Flüssiggas wegen der negativen Auswirkung von Klima und Umwelt in der Gewinnung und Verwendung nur in der aktuellen Ausnahmesituation hinnehmbar. Deshalb ist es wichtig, dass die Infrastruktur technologisch bereit ist für den Import von (grünem) Wasserstoff und eine passgenaue und tragfähige Wasserstoffinfrastruktur errichtet wird. Zusätzlich steht für uns das Verbot von kommerziellen Fracking-Vorhaben nicht zur Debatte. Eine zukunftsfähige sozial-ökologische Transformation des Energiesektors baut auf erneuerbaren Technologien auf. Das fossil-atomare Energiesystem muss endlich überwunden werden!
Neben der Erdgas-Substitution ist weiterhin die Verbrauchsreduktion zur Verhinderung eines Gasmangels notwendig. Expert*innen gehen davon aus, dass sich der Verbrauch um 20-25 Prozent vermindern muss, damit Mangellagen verhindert werden können – im Jahr 2022 wurden fast 18% eingespart. Auf europäischer Ebene sind die Mitgliedsländer (mit einigen Ausnahmen) zusätzlich dazu aufgerufen, den Gasverbrauch um 15% zwischen August 2022 und März 2023 zu reduzieren. Entsprechend sind neben den Einsparungen in der Verstromung auch Verbrauchsreduktionen in der Wärmeversorgung und der Industrie notwendig. Durch die zeitweise enorm gestiegenen Preise, welche überwiegend durch Erhöhungen der Abschlagszahlungen weitergegeben wurden, achten Konsument*innen genau auf ihren Verbrauch und versuchen ihn weitmöglichst zurückzufahren.
Industriestrompreis als Brücke nutzen, aber nur mit Transformationsauflagen
Die hohen Strom- und Energiepreise belasten ebenfalls die Industrieunternehmen, welche ebenfalls versuchen, den Verbrauch zu optimieren, um weiterhin eine wirtschaftliche Produktion aufrechterhalten zu können. Deshalb lehnen wir gesonderte staatliche Anreize zur industriellen Gaseinsparung (wie z.B. via Auktionen) für Konzerne ab, da Gaseinsparungen aufgrund der hohen Energiekosten im Eigeninteresse der Unternehmen liegen und keine gesonderten Subventionen erforderlich macht. Dennoch ist die deutsche Wirtschaft mit hohen Strom- und Energiepreisen konfrontiert, welche insbesondere im Vergleich zu den Preisen in Nordamerika und Asien hoch sind. Da für Deutschland als einziges sog. Industrieland für 2023 eine Rezession prognostiziert wird, erkennen wir zur Aufrechterhaltung der Wettbewerbsfähigkeit ein befristeten Industriestrompreis als Brücke bis zu generell niedrigeren Strompreisen durch einen höheren Anteil von erneuerbaren Energien am Strommix an. Die Geltendmachung des Industriestrompreises durch Unternehmen muss jedoch mit Transformationsauflagen, wie der eigene Ausbau von erneuerbaren Energien, Effizienzsteigerungen, der Ersatz von fossilen Energieträgern oder der Abschluss von erneuerbaren Stromabsatzverträgen (PPAs), verknüpft werden. Auch Tarifbindung und Standort- sowie Beschäftigungsgarantien müssen Bedingungen für die Geltendmachung und Industriestrompreises sein.
Entlastung statt Belastung: Energiepreisdeckel statt unsozialer Gasumlage
Die historische Energiekrise bringt ebenfalls historische Strom- und Energiepreise in Europa hervor, welche nicht nur die Verbraucher*innen und gewerbliche Abnehmer*innen unter Druck setzt, sondern die gesamte Wertschöpfungskette der Energieversorgung vom Energieimporteur bis zum kommunalen Stadtwerk. Das liegt im Kern daran, dass teure Ersatzbeschaffungen zum Spot-Preis getätigt werden müssen, da die vereinbarten Gaslieferungen von russischer Seite nicht eingehalten werden. Das oberste Ziel muss weiterhin sein, dass die Energieversorgung kurz- und mittelfristig aufrechterhalten werden kann. Da Energieimporteure in der Kette meist viele Stadtwerke versorgen, ist es sinnvoll, das Energieversorgungssystem möglichst früh zu stützen. Die Gas-Umlage von Bundeswirtschaftminister Habeck unter dem neoliberalen Mantra “Gewinne privatisieren und Verluste sozialisieren” ist in aller Konsequenz als unsoziale Maßnahme abzulehnen, denn es nicht die Aufgabe von Verbraucher*innen in die Krise gekommene Unternehmen zu retten, sondern die des Staates. Somit sind gesellschaftsrechtliche Beteiligungen des Staates zur Stützung von Energieunternehmen und der gesamten Energieversorgung eindeutig zu bevorzugen. Anstatt die Konsument*innen angesichts der hohen Gaspreise und den Preiserhöhungen mit einer zusätzlichen Umlage zu belasten, müssen Verbraucher*innen vor den hohen Preisen geschützt werden. Die Strom- und Energieversorgung ist kein Luxusgut, sondern als fester Bestandteil der Daseinsvorsorge ein Grundbedürfnis.
Adäquate Maßnahmen sind hierfür die beschlossenen Energiepreisbremsen für Strom, Gas und Wärme, welche zum Verbraucherschutz zur Sicherheit vorsorglich bis Ende 2024 verlängert werden sollten. So oder so muss jedoch im Rahmen eines Zahlungsmoratoriums sichergestellt werden, dass privaten Haushalten weder gekündigt noch die Versorgung versagt werden darf. Ergänzend zu den Maßnahmen für die Verbraucher*innen und am Anfang der Wertschöpfungskette bei den Energieimporteuren, müssen auch die kommunalen Stadtwerke geschützt werden, denn je nach vorheriger strategischer Ausrichtung sind auch die kommunalen Stadtwerke unter Druck und schreiben rote Zahlen. Da die Stadtwerke häufig kommunale Anteilseigner haben oder gar als Eigenbetrieb einer Kommune fungieren, belasten diese roten Zahlen zwangsläufig auch die dahinterstehenden Kommunen und die kommunalen Haushalte. Infolgedessen braucht es Hilfen für die kommunalen Stadtwerke in Form von Krediten und Bürgschaften sowie ein Insolvenzmoratorium – ein Schutzschirm für Stadtwerke, wofür die finanziellen Mittel auf Bundesebene bereitgestellt werden müssen. Im Grundsatz steht für uns fest, dass die Energieversorgung und die entsprechende Infrastruktur wie beispielsweise Stromnetze und Gasnetze samt Speicher als Teil der Daseinsvorsorge vollständig in staatliche Hand gehören.
Lösen wir endlich die Fesseln! Turbo für Erneuerbare und ein klimaneutrales Stromsystem!
Absolute Priorität hat fortan die Schaffung eines resilienten und flexiblen klimaneutralen Strom- und Energiesystem. Durch die Sektorenkopplung, also die zunehmende direkte und indirekte Elektrifizierung von industriellen Prozessen, der Mobilität und der Wärmeversorgung, wird der Strombedarf in den nächsten Jahren erheblich (auf bis zu 750 TWh) steigen. Folglich müssen nun kurzfristig die richtigen Maßnahmen eingeleitet werden, um den sich erhöhenden Strombedarf mit regenerativer Energie abzudecken – es braucht endlich den Turbo für den Ausbau der erneuerbaren Energien, der Netze sowie Energiespeicher. Die sog. Fortschrittskoalition muss alle verbliebenen bürokratischen Hürden und Hemmnisse, welche die Union in ihrer sechzehnjährigen Regierung etabliert hat, beseitigen. Die regulatorischen Fesseln der Wind- und Solarenergie müssen endlich beseitigt werden, damit wir unabhängig von fossiler und unabhängig von russischer Energie werden und damit wir die Sekorenziele der Energiewirtschaft und die Klimaziele insgesamt erreichen können.
Mehr Wind of change zwischen den Rotorblättern: Schluss mit pauschalen Abstandsregelungen und her mit vereinfachten und schnelleren Planungs- und Genehmigungsverfahren
Die Windenergie an Land in Deutschland ist ein wichtiger Pfeiler in der Stromerzeugung. Mittlerweile produzieren die rund 28.400 Onshore-Windenergieanlagen mit einer installierten Leistung von über 58 GW über 123 TWh Strom, was ungefähr ein Viertel am deutschen Strommix ausmacht. Trotz des hohen Erfordernisses zur Erreichung der Klima- und Ausbauziele, stockt der Ausbau der Windenergie massiv. Während in den guten Windausbaujahren bis 2017 nahezu bis zu 1.800 Windenergieanlagen jährlich errichten worden sind, wurden 2022 etwa 550 Anlagen in Betrieb genommen und auch die Genehmigungen für Windenergieanlagen an Land waren stark rückläufig. Die Ausbaudelle ist vor allem auf die politischen Fehlentscheidungen der Union geführten Bundesregierung zurückzuführen, welche den Ausbau durch Maßnahmen wie die 2017 eingeführte Ausschreibungspflicht ausgebremst hat. Darüber hinaus verhindern auf Landesebene pauschale und überzogene Abstandsregelungen zur Wohnbebauung den Ausbau der Windenergie weiter und reduzieren in Kombination mit einer restriktiven Regionalplanung sowie einer pauschalen Priorisierung anderer Belange (z.B. Radare) die Flächenkulisse. Ein weiteres Problem ist, dass nach wie vor die komplexen Genehmigungsverfahren auch wegen Personalmangel in den Behörden durchschnittlich vier bis fünf Jahre dauern. Zusätzlich existiert auch wegen der mäßigen lokalen Akzeptanz eine hohe Klagebereitschaft gegen den Bau von Windenergieanlagen. Klagegründe stammen hierbei häufig aus dem Bereich des Artenschutzes (Gefährdung geschützter Vogel- bzw. Fledermausarten sowie allgemeine Artenschutzaspekte), aber auch Form- und Verfahrensfehler, Lärmschutz sowie Flächenzugriffe werden als weitere Gründe angeführt. Die von der Ampel-Koalition beschlossene EEG-Novelle sieht zur Erreichung des 80%-Ziels an erneuerbaren Energien bis 2030 deutlich erhöhte Ausbauziele für die Windenergie an Land vor. So sollen im Jahr 2023 insgesamt 12,8 GW und in den Folgejahren jeweils 10 GW ausgeschrieben werden. In Hinblick auf den Zubau der Jahre 2019 bis 2022, welcher jeweils nur zwischen 1,1 und 2,1 GW lag, sind die Ausbauziele im aktuellen regulatorischen Rahmen unrealistisch. Zwar gab es schon Verbesserungen im Rahmen des “Osterpakets” wie die verpflichtende Flächenausweisung für Windenergienutzung bis Ende 2032, die pauschalen Landes-Abstandsregelungen wie in Bayern (10H-Regel) werden jedoch nicht sofort abgeschafft. Auch wurde im Bundesnaturschutzgesetz geregelt, dass der “Betrieb von Windenergieanlagen im überragenden öffentlichen Interesse liegt und der öffentlichen Sicherheit dient“. Dennoch sind die Vorgaben im Natur- und Artenschutz immer noch unklar und offen, sodass Rechtsstreitigkeiten weiterhin die Umsetzung von Projekten erschweren. Zur realistischen Möglichkeit, die Ausbauziele zu erreichen, wollen wir die Hürden für den Windenergieausbau abbauen und fordern die sofortige Abschaffung von Landes-Abstandsregelungen und die verpflichtende Ausweisung von 2% der Landesfläche für den Betrieb von Windenergieanlagen bereits bis spätestens 2027, wobei auch attraktive windhöffige Flächen ausgewiesen werden sollen. Mit der schnellen Verankerung des Ziels in Landes- und Regionalraumordnungsprogrammen können ausreichende Flächen für eine klimaneutrale und versorgungssichere Stromversorgung erreicht werden. Darüber hinaus müssen die pauschalen Priorisierungen anderer Belange endlich durch angemessene Einzelfallabwägungen gekippt werden. Zur Beschleunigung der Planungs- und Genehmigungsprozesse braucht es auf der einen Seite klare und bundesweit einheitliche gesetzliche Prüfkriterien im Naturschutzrecht und auf der anderen Seite genügend personelle Ressourcen in den Genehmigungsbehörden, um ein schnelles und rechtssicheres Verfahren endlich zu ermöglichen. Hierbei müssen die ausreichenden personellen Ressourcen unbedingt durch Weiterbildungsprogramme sichergestellt werden. Wir sind der Auffassung, dass der Genehmigungsprozess keine sechs Jahre oder gar noch länger dauern darf, sondern maximal sechs Monate! Darüber hinaus beträgt die Wartezeit für Schwerlasttransporte der bundeseigenen Autobahn GmbH mit rund 15.000 unbearbeiteten Anträgen bei circa 12 Wochen. Dieser Zustand, den Bundesverkehrsminister Wissing zu verantworten hat, ist unhaltbar und muss dringend angegangen werden, gerade weil die Wartezeit z.B. in Skandinavien nur 4 Tage beträgt. Wegen der mäßigen Akzeptanz von Windenergieanlagen muss diese durch geeignete Maßnahmen gesteigert werden, sodass auch juristische Auseinandersetzungen gegen den Bau von Windparks vermieden werden können. Akzeptanz und Vertrauen können in den Projekten durch eine frühzeitige Bürger*innenbeteiligung erreicht werden. Doch nicht nur durch eine proaktive und vorausschauende Einbindung in ersten Planungsschritten, wo auch noch ein gewisser Mitbestimmungsspielraum besteht, sondern vor allem durch eine verpflichtende finanzielle Beteiligung der jeweiligen Standortkommune, kann ein gutes Commitment in der Bevölkerung erreicht werden, sodass Bürger*innen, Kommunalpolitik und Verwaltung Motivation haben den Ausbau lokal voranzubringen.
Let the sun shine: Solar-Booster durch Solardachpflicht für Neubauten und Wiederaufbau einer europäischen Solarindustrie
Doch nicht nur die Stromerzeugung durch Windenergie, sondern auch durch Solarenergie sind eine tragende Säule in Richtung klimaneutrales Stromsystem. Die aktuell rund 68 GW an installierter Leistung sorgen dafür, dass 2022 über 57 TWh ins Netz eingespeist worden sind und Photovoltaikanlagen mit einem Anteil von fast 12% am deutschen Strommix der zweitgrößte erneuerbare Energieträger sind. Nachdem die deutsche Solarindustrie und der PV-Ausbau durch die schwarz-gelbe Bundesregierung u.a. durch die EEG-Novelle 2012 und der darin enthaltenen Strompreisbremse gegen die Wand gefahren wurde, haben sich die Ausbauzahlen in den vergangenen Jahren wieder erholt. So konnte sich der Ausbau von der Ausbaudelle (z.B. 2014 mit 1,2 GW Zubau) erholen und wird jährlich mehr. Im Jahr 2022 konnten PV-Anlagen mit einer Leistung von 7,3 GW zugebaut werden und für das Jahr 2023 wird vermutlich die 10-GW-Marke geknackt. Auch die neue Bundesregierung erkennt die hohe Bedeutung der Solarenergie an und hat im Rahmen der EEG-Novelle 2023 deutliche Verbesserungen der Rahmenbedingungen zum Ausbau von PV-Anlagen und höhere Ausschreibungsvolumen in Höhe von 9 GW im Jahr 2023 und danach jährlich von 11 GW beschlossen. Angesichts der Verbesserungen durch das “Osterpaket” sind die Ziele durchaus realistisch, da regulatorische Fesseln wie der sog. atmende Deckel gelöst und verbesserte Rahmenbedingungen wie höhere Vergütungssätze bei Voll- und Teileinspeisern, ein einfacherer Netzanschluss und eine erweiterte Flächenkulisse bei PV-Freiflächenanlagen implementiert wurden.
Dennoch gibt es weiteres Potenzial einen Solar-Booster zu entfachen! Auch wenn die Situation beim PV-Ausbau besser ist als beim Ausbau der Windenergie, müssen gute Voraussetzungen dafür geschaffen werden, eine ausreichend hohe Flächenverfügbarkeit zu gewährleisten. Neben einem denkbaren gesetzlichen Flächenziel zur Ausweisung von Flächen für PV-Anlagen ist vor allem die umfassende Erschließung geeigneter Gebäudedächer sinnvoll. Aktuell liegt das PV-Potenzial auf Hausdächern bei fast 90%. Da der erzeugte Strom aus Photovoltaik-Anlagen mit Strom aus Windenergieanlagen an Land am günstigsten ist, ist der Ausbau nicht nur aus Klimaschutz- sondern auch aus wirtschaftlichen Gründen günstig für die Hausbesitzer*innen und Mieter*innen. Der Ausbau von Aufdachanlagen muss durch stabile Anreize, wie die Erhöhung der Einspeisevergütung, und durch eine ergänzende Solardachpflicht für Neubauten und Bestandssanierungen beschleunigt werden. Weitere von der Ampel-Regierung angedachte Verbesserungen, welche im Entschließungsantrag des “Osterpakets” mit beschlossen worden sind, wie Erleichterungen im Anmeldeverfahren und Netzanschlüsse von Balkon-PV-Anlagen, müssen schnellstmöglich geregelt werden. So muss endlich bei den Balkon-PV-Anlagen der Anschluss in Eigenregie ohne Erfordernis der Wieland-Einspeisesteckdose ermöglicht und die Meldepflicht aufgehoben werden. Ebenfalls wurde in der Absichtserklärung beschlossen, dass man Erleichterungen beim Eigenstromverbrauch ermöglichen möchte. Insbesondere Letzteres muss in der aktuellen Energiekrise schnellstmöglich und mit absoluter Priorität umgesetzt werden. Deshalb fordern wir, dass sowohl für Balkon-PV-Anlagen als auch für (kleinere) private PV-Dachanlagen der Stromzähler bis zum flächendeckenden Smart-Meter-Rollout und der Implementierung von dynamischen Stromtarifen rückwärts laufen darf und der überschüssige von der PV-Anlage eingespeiste Strom direkt mit dem aus dem Netz bezogenen Strom verrechnet wird. Dieses Verfahren wird beispielsweise in den Niederlanden erfolgreich umgesetzt und schafft bei den hohen Strompreisen einen zusätzlichen wirtschaftlichen Anreiz für eine private PV-Anlage und lässt die Bürger*innen und nicht die Energiekonzerne profitieren!
Neben den PV-Dachanlagen müssen auch Freiflächenanlagen und PV-Anlagen, welche eine positive Mehrfachnutzung von Flächen ermöglicht, wie Agri-PV, Floating-PV oder Fassaden-PV schnellstmöglich angemessen in den regulativen Vorgaben wie der Raumordnung oder im Baurecht berücksichtigt werden. So ist u.a. die generelle Freigabe für PV-Freiflächenanlagen sog. benachteiligter Gebiete (wie ertragsarme landwirtschaftliche Flächen) weiterhin unter Vorbehalt von Landesverordnungen falsch. Wegen zunehmender Flächenkonkurrenzen müssen neue Technologien, wo bislang nur Pilotanlagen existieren, wie die Agri-PV als Symbiose zwischen Landwirtschaft und Energieerzeugung gefördert werden. Fehlende Vergütungsregelungen (außerhalb von Innovationsausschreibungen), die Gefahr des Wegfalls der Agrarförderung, die fehlende baurechtliche Privilegierung und genehmigungsrechtliche Unsicherheiten in den Behörden erschweren ein Wachstum in diesem Segment. Wir fordern deshalb, dass umgehend ein unterstützendes regulatorisches Umfeld für PV-Technologien, welches effektiv Flächen mehrfach nutzbar macht, geschaffen wird. Das angekündigte zweiteilige Solarpaket der Bundesregierung mit diversen Verbesserungen und insb. dem Bürokratieabbau unterstützen wir ausdrücklich.
Beim Ausbau der Solarenergie muss zusätzlich die Angebotsseite der PV-Module und die Gewinnung der dafür notwendigen Rohstoffe thematisiert werden. Denn entlang der gesamten Wertschöpfungskette zur Herstellung von Solarmodulen gibt es eine enorme Abhängigkeit von China. Sowohl in der Gewinnung von Polysilizium als elementarer Rohstoff (80%) über die Herstellung der Wafer (97%) und Zellen (85%) als auch die letztendliche Fertigung der Module (75%), die Abhängigkeit ist enorm. Zur Stärkung einer resilienten Energieversorgung muss in einer europäischen Kooperation der massive Ausbau einer europäischen Produktionskapazität vorangetrieben werden, denn die aktuelle Situation zeigt, was es für fatale Folgen haben kann, wenn man sich energiepolitisch dermaßen Abhängig von einem anderen Land macht. Ein Tausch der Abhängigkeiten vom russischen Gas zu chinesischen Solarmodulen muss perspektivisch verhindert werden! Die PV-Strategie der EU-Kommission “European Solar Initiative”, welche zum Ziel hat, bis zum Jahr 2025 insgesamt 20 GW Produktionskapazität in Europa zu erreichen, ist ausdrücklich zu unterstützen und zu erweitern. Mit den neuen europäischen Produktionskapazitäten würden direkt und indirekt schätzungsweise 400.000 neue, gut bezahlte Industriearbeitsplätze entstehen – bei Umsetzung ein Leuchtturm der sozial-ökologischen Transformation. Ähnlich wie bei der Windenergie sollen Standortkommunen von PV-Freiflächenanlagen finanziell beteiligt werden. Darüber hinaus sollten Bürgerenergiekonzepte, welche häufig PV-Anlagen installieren, gemäß der entsprechenden EU-Richtlinie gestärkt werden, sodass beispielsweise der gemeinschaftliche Eigenverbrauch des lokal erzeugten Stroms ermöglicht wird.
Speicher, Netzausbau und intelligente Steuerung gewährleisten Versorgungssicherheit und Netzstabilität im klimaneutralen Energiesystem
Um die enorme Hochskalierung von erneuerbaren Energien händeln zu können, muss unser Energiesystem sukzessive auf erneuerbare Energien ausgerichtet werden. Ein resilientes klimaneutrales Stromsystem mit den in der Stromerzeugung fluktuierenden Windenergie- und Photovoltaikanlagen, welches die Versorgungssicherheit und Netzstabilität gewährleistet, kann nur in Kombination mit einer Flexibilisierung des Verbrauchs und mit Energiespeichern gelingen. Hierzu ist perspektivisch ein neuer ganzheitlicher regulativer Rahmen für den Strommarkt wichtig. Der Gesetzgeber muss langfristig Anreize setzen, dass erneuerbare Energien systemdienlich errichtet und mit einer angemessenen Vergütung betrieben werden können. Insbesondere wenn auf lange Sicht in einem klimaneutralen Stromsystem Erneuerbare alleinig für die Stromerzeugung verantwortlich sind und durch die niedrigen Stromgestehungskosten der Strompreis gesenkt ist, muss das Strommarktdesign und Strommarktmodell angepasst werden. Die Initiative der Plattform klimaneutrales Stromsystem begrüßen wir. Kurz- bis mittelfristig benötigt es die Integration von Speicherkapazitäten, den beschleunigten Netzausbau und eine intelligente Steuerung des Energiesystems durch informations- und kommunikationstechnische Infrastruktur. Speicherkapazitäten müssen zum einen im Kurzzeitbereich durch batterieelektrische Speicher und zum anderen im Langzeitbereich durch beispielsweise Wasserstoff oder synthetische Gase wie Methan (saisonale Speicher) integriert werden. Im Bereich der Batteriespeicher muss der notwendige Ausbau auf 84 Gigawattstunden bis 2030 (227 GWh in 2045) überwiegend dezentral vorgenommen werden, um Netzengpässe zu vermeiden und die Netzstabilität zu gewährleisten. Der Ausbau der Batteriespeicher darf sich jedoch in keinem Fall nur auf Anlagen in privaten Haushalten beschränken, sondern sollte ebenso wie die Netze von staatlicher Seite zur Verfügung gestellt werden. Der überregionale Stromtransport aus Regionen mit großer Wind- und Solarstromerzeugung zu industriellen oder bevölkerungsreichen Zentren muss gewährleistet werden. Ebenso gilt es die Verteilnetze auszubauen, um die stark steigende Menge an dezentral erzeugtem Strom aufnehmen zu können. Diesen Anforderungen muss mit einem angemessenen Netzausbau begegnet werden. Auch der Ausbau und Betrieb der Stromnetze sollte als zentrale Infrastruktur der Energieversorgung auf Ebene der Verteilnetze rekommunalisiert und auf Ebene der Übertragungsnetze in staatliche Hand.
Der Klimawandel wartet nicht!
Der Ausbau erneuerbarer Energien muss endlich an Fahrt gewinnen, denn der Anteil am Bruttoendenergieverbrauch beträgt aktuell nur rund 17%. Durch die EEG-Novelle im Rahmen des Osterpakets, wo endlich ein höherer und realistischer Strombedarf angenommen wird, konnte ein Ausbauimpuls gegeben werden. Wichtig waren dafür die Erhöhung des Ausbauziels und der Ausbaupfade sowie regulatorische Verbesserungen. Dennoch wird insbesondere der Ausbau der Windenergie stocken. Sollte sich anhand der Genehmigungszahlen der Länder nach wie vor abzeichnen, dass die Ausbauziele massiv unterschritten werden, dann kann das nicht mehr hingenommen werden. In diesem Fall muss die Bundesregierung noch in dieser Legislaturperiode ein öffentlich-rechtliches Unternehmen zum Ausbau erneuerbarer Energien gründen, welches bei Unterschreitung von Ausschreibungsvolumen verpflichtet ist, die Lücke im Zubau zu füllen. Damit wird gewährleistet, dass Klima- und Ausbauziele nicht weiterhin sehenden Auges verfehlt werden. Zusätzlich wird der Staat seiner Rolle gerecht, die Daseinsvorsorge zu gewährleisten. Der Klimawandel wartet nicht. Deshalb lautet die Devise: mehr, schneller Ausbauen!