Faschismus und Nationalsozialismus – zwei Begriffe, die gleiche Sache?
Bei der Auseinandersetzung mit der menschenverachtenden deutschen Herrschaft zwischen 1933 und 1945 und dem Holocaust als deren Folge tauchen immer wieder die beiden Begriffe „Faschismus“ und „Nationalsozialismus“ auf. Ein Unterschied dieser beiden Begriffe ist im Kontext der Verwendung meist nicht zu erkennen, eigentlich aber durchaus vorhanden. Wir wollen versuchen diesen Unterschied, und die Frage welcher Begriff sich für eine angemessene Bezeichnung der Zustände im „Dritten Reich“ eignet, zu klären. Dabei ist nicht das Ziel die beiden Begriffe detailliert zu definieren, dies ist – vor allem beim Faschismusbegriff – eine zu komplexe Angelegenheit, als, dass sie in einem solchen Antrag zu bewältigen wäre.
What do we talk about?
Wofür aber steht in erster Linie der Begriff „Faschismus“? Die Antwort hierauf lässt sich wohl bei seiner historischen Entstehung finden. Die faschistische Herrschaft unter Benito Mussolini in Italien soll hier maßgeblicher Anhaltspunkt sein, von dieser Herrschaftsform und ihrer Ideologie ausgehend kann mensch sich dem Begriff des „Faschismus“ historisch nähern.
Der Begriff „Nationalsozialismus“ ist einmal historisch als Bezeichnung für die politische Bewegung zwischen 1. Weltkrieg und Ende des 2. Weltkriegs und ihre Herrschaft in Deutschland zu verstehen. Andererseits ist er aber auch auf die – immer noch immanente – Ideologie des Nationalsozialismus anwendbar. Dies wird insbesondere dann wichtig, wenn heutige Nazis behaupten, sie seien ja gar keine Nazis, da sie noch keine 60 Jahre alt seien. Diese vermeintliche Distanzierung vom Nationalsozialismus wird aber schon bei einem flüchtigen Blick auf ihre flachen Inhalte relativiert.
Nationalsozialismus bezeichnet also eine spezifisch deutsche Begebenheit, während Faschismus eine Herrschaftsform bezeichnet, welche ihre Geburt in Italien hatte, letztlich aber in vielen Ländern auftrat bzw. auftritt. Aber war der Nationalsozialismus nicht ein Faschismus? Darf mensch daher nicht im Zusammenhang mit dem Nationalsozialismus einfach den Begriff des Faschismus verwenden. Meinen beide nicht die gleiche Sache?
There’s a big difference
Beantworten lässt sich diese Frage, durch einen Vergleich des italienischen Faschismus mit dem Deutschen Nationalsozialismus.
Ein erster Unterschied lässt sich an ihrer Einstellung zum traditionellen Staat feststellen. Während in Italien Mussolini letztlich an vielen Traditionen (wie der Monarchie) festhalten und lediglich einen nach seinen Vorstellungen stärkeren Staat schaffen wollte, schafften Hitler und die Nationalsozialist*innen die meisten alten Institutionen ab, um deren Aufgabenbereiche in ihren Gleichschaltungsapperat zu integrieren. Die NSDAP erwarb deutlich größeren Einfluss auf alle Teile der deutschen Gesellschaft, als es die Faschist*innen unter Mussolini geschafft haben. Dies lässt sich auch im postnationalsozialistischen Deutschland noch erkennen, wenn man etwa die italienische und deutsche Arbeiterbewegung nach 1945 vergleicht.
Weiter hatte der italienische Faschismus zwar durchaus einen expansiven Charakter, jedoch nicht in dem Maße, wie es beim deutschen Nationalsozialismus der Fall war. Elemente, wie die deutsche Blut-und-Boden-Ideologie, deren Folge der unmenschliche Vernichtungskrieg im Osten war, gab es hier nicht.
Von größerer Bedeutung aber ist der Unterschied der beiden Ideologien im Hinblick auf Rassentheorie und Antisemitismus. Der deutsche Nationalsozialismus passte sich insofern den deutschen Gegebenheiten oder den Bedürfnissen der Deutschen an, als dass er schon als Mittel der Machterlangung antisemitische und rassistisch-biologistische Propaganda nutzte. Antisemitismus und Rassismus also waren hier zentrale Bestandteile der Ideologie, die von Anfang an offen hervortraten und nach außen hin proklamiert wurden. In Italien war dies anders: Eine Rassenideologie gab es in dem Maße nicht, erst 1938 begannen biologistische Anschauungen eine Rolle zu spielen. Auch hatte der Antisemitismus hier nicht eine solch vernichtende Konsequenz wie in Deutschland. Zwar spielte er auch hier in der faschistischen Ideologie eine Rolle, jedoch trat er eher in Form von Diskriminierung, Vertreibung und Entrechtung in Erscheinung, als in der einzigartigen Form des maschinellen Völkermordes, wie es in Deutschland der Fall war.
Hier soll es nicht um eine Relativierung des italienischen Faschismus gehen, dieser soll hier nicht seines Schreckens beraubt werden und sicherlich sind Diskriminierung, Vertreibung und Entrechtung der Juden in Italien schrecklich genug gewesen. Jedoch sollte als zentraler Punkt deutlich werden, dass der Holocaust, also die maschinelle Vernichtung von Millionen von Menschen, eine spezifisch deutsche Tatsache ist, die im italienischen Faschismus so nicht auftrat.
Finally: Let’s say it right
Aus dieser Tatsache folgt unweigerlich die Notwendigkeit einer Trennung der Begriffe Faschismus und Nationalsozialismus. Zur Beschreibung der Zustände im damaligen Deutschland taugt der Begriff Faschismus nur mit einem Zusatz, der den spezifischen Charakter der deutschen Besonderheiten verdeutlicht. Angemessen wäre also eine Bezeichnung wie „Deutscher Faschismus“. Das Wort Faschismus alleine aber verkürzt die historischen Tatsachen, indem es den Holocaust und dessen Singularität unter den Tisch fallen lässt. Es relativiert so – meist wohl unbewusst – den Nationalsozialismus, indem es ihn in eine Reihe mit anderen faschistischen Regimen stellt.
Um also zu einem korrekten, vollständigen Bild der nationalsozialistischen Herrschaft und ihrer Folgen zu kommen, sollte entweder vom „(deutschen) Nationalsozialismus“ oder von einem „spezifisch Deutschen Faschismus“ gesprochen werden.
Der Bezirksvorstand wird gebeten, dieses Thema mit in sein Arbeitsprogramm aufzunehmen und eine entsprechende Veranstaltung zu konzipieren und durchzuführen
Faschismus und Nationalsozialismus – zwei Begriffe, die gleiche Sache?
Bei der Auseinandersetzung mit der menschenverachtenden deutschen Herrschaft zwischen 1933 und 1945 und dem Holocaust als deren Folge tauchen immer wieder die beiden Begriffe „Faschismus“ und „Nationalsozialismus“ auf. Ein Unterschied dieser beiden Begriffe ist im Kontext der Verwendung meist nicht zu erkennen, eigentlich aber durchaus vorhanden. Wir wollen versuchen diesen Unterschied, und die Frage welcher Begriff sich für eine angemessene Bezeichnung der Zustände im „Dritten Reich“ eignet, zu klären. Dabei ist nicht das Ziel die beiden Begriffe detailliert zu definieren, dies ist – vor allem beim Faschismusbegriff – eine zu komplexe Angelegenheit, als, dass sie in einem solchen Antrag zu bewältigen wäre.
What do we talk about?
Wofür aber steht in erster Linie der Begriff „Faschismus“? Die Antwort hierauf lässt sich wohl bei seiner historischen Entstehung finden. Die faschistische Herrschaft unter Benito Mussolini in Italien soll hier maßgeblicher Anhaltspunkt sein, von dieser Herrschaftsform und ihrer Ideologie ausgehend kann mensch sich dem Begriff des „Faschismus“ historisch nähern.
Der Begriff „Nationalsozialismus“ ist einmal historisch als Bezeichnung für die politische Bewegung zwischen 1. Weltkrieg und Ende des 2. Weltkriegs und ihre Herrschaft in Deutschland zu verstehen. Andererseits ist er aber auch auf die – immer noch immanente – Ideologie des Nationalsozialismus anwendbar. Dies wird insbesondere dann wichtig, wenn heutige Nazis behaupten, sie seien ja gar keine Nazis, da sie noch keine 60 Jahre alt seien. Diese vermeintliche Distanzierung vom Nationalsozialismus wird aber schon bei einem flüchtigen Blick auf ihre flachen Inhalte relativiert.
Nationalsozialismus bezeichnet also eine spezifisch deutsche Begebenheit, während Faschismus eine Herrschaftsform bezeichnet, welche ihre Geburt in Italien hatte, letztlich aber in vielen Ländern auftrat bzw. auftritt. Aber war der Nationalsozialismus nicht ein Faschismus? Darf mensch daher nicht im Zusammenhang mit dem Nationalsozialismus einfach den Begriff des Faschismus verwenden. Meinen beide nicht die gleiche Sache?
There’s a big difference
Beantworten lässt sich diese Frage, durch einen Vergleich des italienischen Faschismus mit dem Deutschen Nationalsozialismus.
Ein erster Unterschied lässt sich an ihrer Einstellung zum traditionellen Staat feststellen. Während in Italien Mussolini letztlich an vielen Traditionen (wie der Monarchie) festhalten und lediglich einen nach seinen Vorstellungen stärkeren Staat schaffen wollte, schafften Hitler und die Nationalsozialist*innen die meisten alten Institutionen ab, um deren Aufgabenbereiche in ihren Gleichschaltungsapperat zu integrieren. Die NSDAP erwarb deutlich größeren Einfluss auf alle Teile der deutschen Gesellschaft, als es die Faschist*innen unter Mussolini geschafft haben. Dies lässt sich auch im postnationalsozialistischen Deutschland noch erkennen, wenn man etwa die italienische und deutsche Arbeiterbewegung nach 1945 vergleicht.
Weiter hatte der italienische Faschismus zwar durchaus einen expansiven Charakter, jedoch nicht in dem Maße, wie es beim deutschen Nationalsozialismus der Fall war. Elemente, wie die deutsche Blut-und-Boden-Ideologie, deren Folge der unmenschliche Vernichtungskrieg im Osten war, gab es hier nicht.
Von größerer Bedeutung aber ist der Unterschied der beiden Ideologien im Hinblick auf Rassentheorie und Antisemitismus. Der deutsche Nationalsozialismus passte sich insofern den deutschen Gegebenheiten oder den Bedürfnissen der Deutschen an, als dass er schon als Mittel der Machterlangung antisemitische und rassistisch-biologistische Propaganda nutzte. Antisemitismus und Rassismus also waren hier zentrale Bestandteile der Ideologie, die von Anfang an offen hervortraten und nach außen hin proklamiert wurden. In Italien war dies anders: Eine Rassenideologie gab es in dem Maße nicht, erst 1938 begannen biologistische Anschauungen eine Rolle zu spielen. Auch hatte der Antisemitismus hier nicht eine solch vernichtende Konsequenz wie in Deutschland. Zwar spielte er auch hier in der faschistischen Ideologie eine Rolle, jedoch trat er eher in Form von Diskriminierung, Vertreibung und Entrechtung in Erscheinung, als in der einzigartigen Form des maschinellen Völkermordes, wie es in Deutschland der Fall war.
Hier soll es nicht um eine Relativierung des italienischen Faschismus gehen, dieser soll hier nicht seines Schreckens beraubt werden und sicherlich sind Diskriminierung, Vertreibung und Entrechtung der Juden in Italien schrecklich genug gewesen. Jedoch sollte als zentraler Punkt deutlich werden, dass der Holocaust, also die maschinelle Vernichtung von Millionen von Menschen, eine spezifisch deutsche Tatsache ist, die im italienischen Faschismus so nicht auftrat.
Finally: Let’s say it right
Aus dieser Tatsache folgt unweigerlich die Notwendigkeit einer Trennung der Begriffe Faschismus und Nationalsozialismus. Zur Beschreibung der Zustände im damaligen Deutschland taugt der Begriff Faschismus nur mit einem Zusatz, der den spezifischen Charakter der deutschen Besonderheiten verdeutlicht. Angemessen wäre also eine Bezeichnung wie „Deutscher Faschismus“. Das Wort Faschismus alleine aber verkürzt die historischen Tatsachen, indem es den Holocaust und dessen Singularität unter den Tisch fallen lässt. Es relativiert so – meist wohl unbewusst – den Nationalsozialismus, indem es ihn in eine Reihe mit anderen faschistischen Regimen stellt.
Um also zu einem korrekten, vollständigen Bild der nationalsozialistischen Herrschaft und ihrer Folgen zu kommen, sollte entweder vom „(deutschen) Nationalsozialismus“ oder von einem „spezifisch Deutschen Faschismus“ gesprochen werden.