- Die Anerkennung, dass die Deckelung von Neuverschuldung in Form der Schuldenbremse oder der europäischen Maastricht-Kriterien im Grundsatz falsch sowie dysfunktional sind und daher abgeschafft gehören. Wenn Sparen zum Selbstzweck wird, stranguliert dies die ökonomische und politische Handlungsfähigkeit eines Staates und untergräbt so seine wirtschaftlich nachhaltige Entwicklung.
- Die kurzfristige Verlängerung der vorübergehenden Aussetzung der Schuldenbremse auch über das Jahr 2022 hinaus, konkret für den Bundeshaushalt 2024.
- Die Streichung der Paragrafen Art. 109 Abs. 2, 3 und 5 und 115 GG aus dem Grundgesetz. Die sozialdemokratische Fraktion im Bundestag sowie der Parteivorstand sollen sich zum nächstmöglichen Zeitpunkt für dessen ersatzlose Streichung einsetzen.
- Gleichermaßen die Anpassung des Art. 126 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (ex-Artikel 104 EGV) zur Abschaffung der Neuverschuldungsdeckelung im Rahmen der europäischen Maastricht-Kriterien.
- Die Streichung etwaiger Regelungen in den jeweiligen Landesverfassungen, welche ebenfalls oder in einer vergleichbaren Form die Deckelung öffentlicher Ausgaben vorsehen.
Öffentliche Investitionen sind die Grundlage für den Weg in ein ökologisch nachhaltig produzierendes, digitales und sozial gerechtes Zeitalter. Als SPD fordern wir Investitionen in Daseinsvorsorge, in ein ausgebautes Mobilitätssystem, stabile Energienetzwerke bestehend aus erneuerbaren Quellen sowie moderne, lückenlose Breitbandverkabelung. Diese überfälligen, aber erheblichen Ziele sind nur mittels voluminöser öffentlicher Investitionen zu erreichen. Im Jahr 2009 implementierte der Gesetzgeber eine Deckelung dieser öffentlichen Investitionen im Grundgesetz – die sogenannte Schuldenbremse. Der Artikel 109 Abs. 3 GG legt ein grundsätzliches Verbot von struktureller Neuverschuldung für die Länder und ein maximales Neuverschuldungsniveau von 0,35 Prozent für den Bund fest. Die länderspezifische Ausgestaltung der Schuldenbremse ist laut Art. 109 Abs. 3 GG von den Ländern im Rahmen ihrer verfassungsrechtlichen Kompetenzen individuell in der Landesverfassung oder im Haushaltsrecht festzusetzen. Ausnahmen von der Schuldenbremse sind nur bei außergewöhnlichen Ereignissen wie schweren Naturkatastrophen oder Wirtschaftskrisen vorgesehen.
Als Reaktion auf die Corona-Krise wurde die Schuldenbremse vorläufig ausgesetzt. Erst das ermöglichte sowohl die Krisenmaßnahmen der Bundesrepublik als Reaktion auf die Pandemie als auch die bisherigen sozialen Ausgleichsmaßnahmen aufgrund der gestiegenen Energie- und Lebensmittelpreise.
Die Schuldenbremse als undemokratische Investitionsbremse
Ausgehend von einem fehlgeleiteten Verständnis von Generationengerechtigkeit und dem Sparen als Selbstzweck verankerte der Gesetzgeber mit der Schuldenbremse einen Mechanismus, der seine eigene Handlungsfähigkeit insbesondere in den Bereichen öffentlicher Investitionen in Daseinsvorsorge, sozialpolitischen Instrumenten sowie aktiver und gestaltender Wirtschaftspolitik nachhaltig beschränkt. Das Haushaltsrecht ist die entscheidende Kompetenz des Parlaments. In Zeiten, in denen entscheidende Zukunftsaufgaben gelöst werden müssen, bedeutet eine solche Deckelung die Beraubung politischen Handlungsspielraums für progressive Akteure und Parteien, die den Anspruch haben, für kommende Generationen das Versprechen auf eine bessere Zukunft einzulösen.
Die Klimaschutzbremse
Die Bedingung für das Gelingen der sozial-ökologischen Transformation von Wirtschaft und Industrie ist ein handlungsfähiger und starker Staat. Generationengerechte Politik bedeutet effektiv, die Voraussetzungen für das Lösen von überfälligen Transformationsaufgaben wie beispielsweise dem Ausstieg aus der Kohleverstromung sowie dem Ende von Verbrennungstechnologien im Automobilsektor zu schaffen. Junge Menschen demonstrieren auf den Straßen nicht für schwarze Zahlen, sondern für den Erhalt einer lebenswerten Zukunft und für das Ernstnehmen der Klimakrise. Die Weigerung konservativer politischer Verantwortungsträger*innen, die notwendigen finanziellen Mittel dafür in die Hand zu nehmen, überlässt der Privatwirtschaft die Bekämpfung dieser existenziellen Krise und stellt damit ein Scheitern sicher.
Die Krisenuntauglichkeit der Schuldenbremse
Im Zuge der Coronapandemie hat der Bund etwa 130 Milliarden neue Schulden aufgenommen. Zur Bewältigung der Krise genutzte Neuaufnahmen sind so weit mit der Schuldenbremse vereinbar. Doch schon während der Krise wurde vonseiten der Union angekündigt, diese erhöhten Ausgaben zukünftig mit noch strengerer Haushaltsdisziplin und damit mit der Streichung von Zukunftsinvestitionen oder sozialpolitischen Ausgaben auszugleichen. Gleiches wurde in Verbindung mit den Entlastungspaketen im Laufe dieses Jahre gefordert. Seit 2023 müssen sich die öffentlichen Haushalte zudem wieder an den Maßgaben von Art 109 und 155 GG messen lassen. Zusätzlicher Druck entsteht dadurch, dass sowohl das Sondervermögen für Klima und Transformation, als auch das für die Bundeswehr Sondertilgungen nach sich ziehen werden, die künftige Haushalte besonders belasten.
Die Schuldenbremse in seiner aktuellen Form wirkt entgegen antizyklischer Finanzpolitik, da sie erst im Abschwung bzw. krisenartigen Situationen den haushaltspolitischen Raum für die Stabilisierung des Konjunkturzyklusses eröffnet. Weiterhin fehlen bis heute Belege (national und international), dass Fiskalregelung zur Deckelung der Neuverschuldung Schuldenquoten tatsächlich verringern. Prozyklische Finanzpolitik kann durch negative Effekte auf Steuereinnahmen, Arbeitslosigkeit und das Bruttoinlandprodukt Volkswirtschaften sogar zusätzlich destabilisieren.
Sowohl die Corona-Krise, als auch das vergangene Jahr haben gezeigt, wie wichtig es ist, dass Bund und Länder auch finanzpolitisch handlungsfähig sind. Diese Handlungsfähigkeit gilt es auch zukünftig zu bewahren und gleichzeitig den Parlamenten das volle Budgetrecht über die jährlichen Ausgaben einzuräumen.