Als Sozialdemokratie zeigen uns solidarisch mit allen Menschen in der Türkei, die sich mutig gegen autoritäre Unterdrückung stellen. Dazu zählen vor allem unsere Schwesterpartei CHP (Cumhuriyet Halk Partisi, deutsch: Republikanische Vokspartei), die demokratische Opposition, unabhängige Journalist*innen sowie zahlreiche zivilgesellschaftliche Organisationen, die sich trotz massiver staatlicher Repression für eine offene, freie Gesellschaft einsetzen.
Der jüngste Angriff auf demokratische Grundrechte ist die politisch motivierte Inhaftierung des Istanbuler Oberbürgermeisters Ekrem İmamoğlu. Die Verhaftung aufgrund fadenscheiniger Vorwürfe und die direkt darauf folgende Amtsenthebung, ohne dass ein Urteil in Sicht ist, ist offenkundig kein rechtsstaatlicher Akt, sondern Teil einer Strategie, politische Gegner*innen gezielt aus dem Weg zu räumen – insbesondere solche, die dem amtierenden Präsidenten bei zukünftigen Wahlen gefährlich werden könnten. Schon als İmamoğlu 2019 zum Oberbürgermeister gewählt wurde, hat das Erdoğan-Regime diese Wahl nicht akzeptieren wollen und kurzerhand annullieren lassen. Doch auch die Wahlwiederholung gewann İmamoğlu – sogar mit einem noch größeren Vorsprung gegenüber Erdoğans AK-Partei (Adalet ve Kalkınma Partisi, deutsch: Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung) als zuvor, ein Beweis für die demokratische Selbstbehauptung der Istanbuler Stadtgesellschaft.
Doch die Inhaftierung İmamoğlus ist nur die prominente Spitze des Eisbergs. Denn gleichzeitig beobachten wir mit großer Sorge, wie über 100 weitere Menschen, darunter oppositionelle Politiker*innen und Journalist*innen, inhaftiert wurden. Der Versuch, İmamoğlu durch den Entzug seiner Hochschulabschlüsse zusätzlich zu diskreditieren, zeigt, wie weit die Regierung bereit ist zu gehen, um unliebsame Stimmen mundtot zu machen. Zudem wurde bereits vor der jüngsten Verhaftungswelle immer wieder mit staatlicher Repression gegen die demokratische Opposition vorgegangen. So nutzte Präsident Erdoğan den gescheiterten Putschversuchs von Teilen des Militärs 2016 bereits als Vorwand, um zahlreiche politisch motivierte Verhaftungen vorzunehmen, beispielsweise zahlreiche Abgeordnete der linken HDP einschließlich ihres Vorsitzenden, Selahattin Demirtaş. Im Fall Demirtaş hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte bereits 2020 geurteilt, dass es sich um eine politische Inhaftierung handelt und Demirtaş freizulassen ist. Dieses Urteil wird von der türkischen Regierung trotz Mitgliedschaft im Europarat ignoriert. Durch das Ausschalten politischer Konkurrenz werden Wahlen zunehmend zu einer reinen Inszenierung von Legitimation für den amtierenden Staatspräsidenten. Gleichzeitig hat Erdoğan die Justiz mit zahlreichen Anhänger*innen besetzt und seine Kompetenzen durch die Verfassungsreform 2017 mit knapper Mehrheit massiv ausgeweitet, sodass eine echte demokratische Kontrolle innerhalb des Systems kaum mehr möglich ist.
Doch trotz Einschüchterung, Überwachung und willkürlicher Gewalt lässt sich die demokratische Bewegung in der Türkei nicht unterkriegen. Gerade junge Menschen, Studierende und Aktivist*innen kämpfen für ein Land, in dem Meinungsfreiheit, Gleichberechtigung und Rechtsstaatlichkeit gelebte Realität sind.
Als Sozialdemokratie stehen fest an der Seite aller, die für Demokratie streiten – sei es in der Türkei oder anderswo. Dieser Kampf kennt keine Grenzen!
Wir fordern:
- Die sofortige Freilassung von Ekrem İmamoğlu sowie aller weiteren inhaftierten Oppositionellen und Aktivist*innen.
Politische Verfolgung darf keinen Platz in einem demokratischen System haben. Auch die Prozesse gegen Personen wie Osman Kavala und Selahattin Demirtaş müssen endlich beendet werden. Alle Personen, die während der Proteste gegen die Verhaftung İmamoğlus verhaftet worden sind, haben von ihren demokratischen Rechten Gebrauch gemacht und sind unverzüglich freizulassen.
- Die Rückgabe der Universitätsabschlüsse
Durch den willkürlichen Entzug von Universitätsabschlüssen zerstört die türkische Regierung Existenzen, nicht nur von Politiker*innen, sondern auch von kritischen Stimmen aus der Zivilgesellschaft, beispielsweise an Universitäten. Die Betroffenen müssen ihre Abschlüsse daher umgehend wieder zurückerhalten und diese willkürliche Maßnahme in Zukunft unterbleiben.
- Eine klare und kritische Haltung der Bundesregierung sowie der SPD gegenüber der türkischen Regierung.
Diplomatische Zurückhaltung darf nicht dazu führen, dass Menschenrechtsverletzungen hingenommen werden. Außenpolitik muss wertegeleitet sein.
- Mehr Schutz und Unterstützung für bedrohte Aktivist*innen aus der Türkei.
Deutschland und die EU müssen verfolgten Journalist*innen, Oppositionellen und Studierenden Aufnahme und Schutz gewähren.
- Stärkere Zusammenarbeit mit demokratischen Kräften vor Ort.
Wir setzen uns für mehr Austausch mit kommunalen Verwaltungen wie beispielsweise der Stadt Istanbul, zivilgesellschaftlichen Organisationen und Jugendinitiativen in der Türkei ein.
Die Menschen in der Türkei kämpfen unter schwierigen Bedingungen für Freiheit und Demokratie. Ihre Stimme darf nicht ungehört bleiben. Als SPD bekennen wir uns dazu, diesen Kampf sichtbar zu unterstützen – mit klaren Worten, konkreten Maßnahmen und gelebter internationaler Solidarität.