Ini-02 Munitionsaltlasten in Nord- und Ostsee: Maßnahmen zum Schutz von Mensch und Umwelt

Status:
Annahme

Der SPD-Parteivorstand möge die Bundesregierung auffordern, 

ihre bisherigen beispielhaften konkreten Schritte zur Abwendung der Gefahren, die für Mensch und Umwelt von den Munitionsablagerungen in der Ost- und Nordsee ausgehen, konsequent und auf Dauer weiterzuverfolgen und auszuweiten.  

Ziel muss es dabei sein, zusammen mit den demokratischen Staaten des Ostseeraums im Rahmen des Ostseerates (Council of the Baltic Sea States, CBSS) unter Einbeziehung der Helsinki-Kommission zum Schutz der Meeresumwelt der Ostsee (HELCOM) den Anrainerstaaten des Nordseeraums und der EU Kommission, Strategien zu entwickeln und mit weiteren umfassenden konkreten Aktionsplänen und Maßnahmen zu untersetzen, damit innerhalb der nächsten 20 Jahre eine großflächige Beseitigung der Munitionsaltlasten auf dem Meeresboden so erfolgt, dass im Sinne verantwortungsvoller Vorsorgepolitik langfristige, irreparable Schäden für Mensch und Umwelt vermieden werden. 

Die Bundestagsfraktion wird aufgefordert, die Arbeit der Bundesregierung, in diesem für das gesamte Land – auch aufgrund ihrer Auswirkungen auf die Beschleunigung von Genehmigungsverfahren im Rahmen der Energiewende – wichtigen Bereich notwendiger Vorsorgepolitik weiter durch geeignete parlamentarische Initiativen zu unterstützen und voranzubringen. 

Begründung:

Nach den Feststellungen des Umweltbundesamtes lagern allein in deutschen Gewässern in Nord- und Ostsee etwa 1,6 Millionen Tonnen konventioneller Munition und 5000 Tonnen chemischer Kampfstoffe.  

Allein in der Ostsee wissen wir bisher von 400.000 Tonnen konventionellen Sprengstoffen und etwa 40.000 Tonnen chemischen Waffen. Das entspricht in etwa der Ladung von 11.000 Sattelschleppern. 

Versenkte Munition korrodiert und lässt giftiges TNT, andere Sprengstoffe oder enthaltende chemische Giftstoffe in die Meeresumwelt entweichen. 

Dadurch entstehen Gefahren für die Menschen, das Leben im Meer und damit verbunden für die Fischerei und den Tourismus. Außerdem kann dies die Installation von Offshore-Energieinfrastrukturen und Seekabel-Verlegungen behindern und sich negativ auf weitere Sektoren der blauen Wirtschaft auswirken.  

Mit den gegenwärtigen Räumungskapazitäten würde eine großflächige Räumung mehrere Jahrhunderte in Anspruch nehmen. Um irreparable Schäden für Menschen und Umwelt zu vermeiden, ist es nach übereinstimmenden Aussagen führender Wissenschaftler*innen und Expert*innen notwendig, jetzt die Voraussetzungen für großflächige Räumungen zu schaffen und diese mithilfe der jetzt vorhandenen und weiter zu entwickelnden Technologien entschlossen in die Wege zu leiten und in den nächsten 20 Jahren umfassend durchzuführen. 

Die Kombination von Sensoren mit hoch fortschrittlichen Softwaresystemen und künstlicher Intelligenz ermöglicht es erstmals, ein umfassendes Bild der Situation zu gewinnen. 

Die Entwicklung mobiler Plattformen für die Munitionsräumung eröffnet das Vordringen in neue Dimensionen großflächiger Räumungen. 

Die Parlamente der Anrainerstaaten des Ostseeraums sowie von Norwegen und Island haben seit 2019 – aufgrund entsprechender Initiativen des Bundestages – jährlich in einstimmigen Entschließungen und auf der Grundlage einer Reihe von umfassenden Sachverständigenanhörungen, wissenschaftlicher Erkenntnisse und Berichte die Notwendigkeit und Dringlichkeit der Einleitung von Vorsorgemaßnahmen angemahnt,  konkrete Handlungsempfehlungen an die Regierungen gerichtet und entsprechende Zielvorgaben artikuliert. 

Die Bundesregierung hat auf der Grundlage einer entsprechenden Vereinbarung im Koalitionsvertrag erstmalig ein für die in diesem Bereich notwendige internationale Zusammenarbeit beispielgebendes Sofortprogramm zur Bergung von Unterwassermunition in der Ost- und Nordsee eingeleitet, das auch die Entwicklung einer mobilen Plattform für die Munitionsräumung und -vernichtung umfasst. Dafür wurden im Bundeshaushalt bis einschließlich 2025 100 Millionen € eingestellt, um exemplarisch die Bergung und Vernichtung von konventioneller Altmunition aus der Ostsee durchzuführen. Der notwendige Aufwand ist enorm. Außerdem erfordert dies die anspruchsvolle fachliche Verknüpfung einer Vielzahl von Disziplinen und Akteur*innen. Die Bundesregierung geht davon aus, dass spätestens Anfang 2024 mit dem Bau einer mobilen schwimmenden Entsorgungsanlage und spätestens Anfang 2025 mit der pilothaften Bergung aus den deutschen Gewässern der Ostsee begonnen werden kann.  

Die EU-Kommission hat mehrschichtige Ziele und Aufgabenstellungen – auch aufgrund entsprechender Initiativen des europäischen Parlamentes –in ihre Aktualisierung der EU-Strategie für die Gefahrenabwehr im Seeverkehr zur Bewältigung der sich entwickelnden maritimen Bedrohungen aufgenommen. Der zuständige EU-Kommissar hat im Rahmen der Jahrestagung der Ostseeparlamentarierkonferenz in Berlin im August 2023 angekündigt, weitergehende interministerielle Vereinbarungen anzustreben und dies in den Mittelpunkt der nächsten Ostsee-Ministerkonferenz(en) zu stellen. 

Der Bundestag hatte im Rahmen seiner Präsidentschaft des vergangenen Jahres in der Ostseeparlamentarierkonferenz und die Bundesregierung im Rahmen ihrer Präsidentschaft im Rahmen des Ostseerates die Thematik der versenkten Munitionsaltlasten in der Zusammenarbeit des Ostseeraums durch entsprechende Schwerpunktsetzungen deutlich vorangebracht. 

Der Ostseerat, d.h. die Regierungen der demokratischen Ostseeanrainerstaaten und  die Helsinki-Kommission zum Schutz der Meeresumwelt der Ostsee (HELCOM)  haben eine sektorübergreifende, multidisziplinäre und makroregionale Zusammenarbeit über Unterwassermunition aufgenommen mit dem Ziel, Wissenslücken zu schließen, bewährte Umweltpraktiken für die Risikobewertung zu entwickeln und Finanzierungsmöglichkeiten für die Entwicklung und Umsetzung der besten verfügbaren Techniken für ein umweltgerechtes und sicheres Management zu prüfen. 

Jetzt geht es darum, diese entscheidenden ersten Schritte im Rahmen dieser langfristigen Mammutaufgabe zu perpetuieren und in der internationalen Zusammenarbeit auf eine wirkungsvolle und solide Grundlage zu stellen, die das Potenzial beinhaltet, durch rechtzeitige großflächige Räumungen irreparable Schäden für Mensch und Umwelt zu vermeiden und damit am Ende zum Erfolg führt.  

Die Bewältigung einer derart komplexen Aufgabenstellung umfasst neben der notwendigen Weiterentwicklung von Technologien und deren Unterstützung auch in erheblichem Umfang die Ausbildung und Gewinnung geeigneter Fachkräfte mit entsprechend langfristigen Perspektiven.  

Dies alles erfordert langen Atem und die langfristige Fokussierung auf eine solche umfassende Aufgabe, die sich in den nächsten 20 Jahren an ehrgeizigen, strategischen Zielvorgaben orientiert. 

Beschluss: Annahme
Text des Beschlusses:

Der SPD-Parteivorstand möge die Bundesregierung auffordern, 

ihre bisherigen beispielhaften konkreten Schritte zur Abwendung der Gefahren, die für Mensch und Umwelt von den Munitionsablagerungen in der Ost- und Nordsee ausgehen, konsequent und auf Dauer weiterzuverfolgen und auszuweiten.  

Ziel muss es dabei sein, zusammen mit den demokratischen Staaten des Ostseeraums im Rahmen des Ostseerates (Council of the Baltic Sea States, CBSS) unter Einbeziehung der Helsinki-Kommission zum Schutz der Meeresumwelt der Ostsee (HELCOM) den Anrainerstaaten des Nordseeraums und der EU Kommission, Strategien zu entwickeln und mit weiteren umfassenden konkreten Aktionsplänen und Maßnahmen zu untersetzen, damit innerhalb der nächsten 20 Jahre eine großflächige Beseitigung der Munitionsaltlasten auf dem Meeresboden so erfolgt, dass im Sinne verantwortungsvoller Vorsorgepolitik langfristige, irreparable Schäden für Mensch und Umwelt vermieden werden. 

Die Bundestagsfraktion wird aufgefordert, die Arbeit der Bundesregierung, in diesem für das gesamte Land – auch aufgrund ihrer Auswirkungen auf die Beschleunigung von Genehmigungsverfahren im Rahmen der Energiewende – wichtigen Bereich notwendiger Vorsorgepolitik weiter durch geeignete parlamentarische Initiativen zu unterstützen und voranzubringen. 

Beschluss-PDF:
Überweisungs-PDF: